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Experten-Interview Juli 2019



Christopher Buhr – der einzige gehörlose Filmemacher beim internationalen Kurzfilmfestival 2019 in Berlin

 

Kürzlich beim Essener Kurzstummfilmfestival hat Christopher Buhr gleich zwei Preise abgeräumt. Weitere Festivals folgen noch in Reims und in Berlin, hierzu habe ich den gehörlosen Filmemacher interviewt.

 

Kürzlich hast du mit deinem Film „Happy Yellow“ gleich zwei Preise gewonnen. Herzlichen Glückwunsch!

Christopher Buhr: Vielen Dank! Eigentlich habe ich ganz zufällig am Stummfilmfestival teilgenommen. Eine ehemalige Schauspielkollegin, hat mir vorgeschlagen, dass ich an diesem Festival mitmachen sollte. Ich dachte erst, dass es eher für junge Filmemacher gedacht ist und ich auf jeden Fall schon zu alt wäre. Als mir dann auch die Veranstalterin Simone Bury schrieb, dass das Alter keine Rolle spielt, habe ich angefangen ernsthaft zu überlegen. Schließlich habe ich kurz vor dem Anmeldeschluss zugesagt.

So blieben mir nur noch 10 Tage, den gesamten Animationsfilm „Happy Yellow“ fertig zu stellen. Ich war sehr froh, dass ich dafür gleich zwei Preise bekommen habe, den Preis „Bestes Gelb“ und den Publikumspreis.

 

Das Motto des Festivals war Yellow (=gelb), was erzählt dein Film „Happy Yellow“?

Die Geschichte spielt in einer Zukunft, in der auch im Verkehr vieles digitalisiert ist. Im Fokus der Geschichte steht ein alter Taxifahrer, der durch den Wandel der Zeit, die Unterhaltung mit seinen Passagieren vermisst. Ich habe den Film lustig animiert und somit war er der einzige fröhliche Film, worüber sich das Publikum amüsieren konnte.

 

Beim 4. KURZstummfilmfestival in Essen wurden insgesamt 32 Filme gezeigt und der Eintritt war für das Publikum frei. Wie gut war das Festival besucht? Kamen auch viele Gehörlose?

Das Festival war gut besucht und es herrschte eine angenehme Atmosphäre. Unter den Zuschauern waren auch einige Gehörlose, aber leider sehr wenige. Da ich in meiner Jugend in Norddeutschland lebte, kannte ich die meisten tauben Besucher und hatte somit einen kleinen Heimvorteil.

 

Was bedeuten diese zwei Preise für dich?

Meine Erwartungen wurden vollkommen erfüllt, da meine Arbeit sowohl vom Publikum, wie auch von der Jury anerkannt und ausgezeichnet wurde.

 

Dein nächster Auftritt ist in Reims (Frankreich), dort hast schon vor zwei Jahren den Preis für den besten Animationsfilm erhalten. Mit welchem Film startest du diesmal

Mein neuer Film in Reims heißt „Hope“ (=Hoffnung) und er spielt im späten Mittelalter. In einer Familie sind bereits alle erwachsenen Kinder ausgezogen, bis auf die letzte Tochter. Sie wohnt noch immer im Haus ihrer Eltern, ganz oben im Turmzimmer, und hofft, dass endlich ein Verehrer vorbeikommt.

Die Idee zum Film kam vor 5Jahren, als ich in einem Schaufenster geschnitzte Holzmodelle beobachtet habe. Mir fiel ein Modell auf, wo eine Frau in einem Turm stand und der Verehrer gerade zu ihr hochkletterte. Ich überlegte eine Story, die ich noch einige Male änderte und schließlich der Film im Kasten.

 

Was war für dich bei „Hope“ die größte Herausforderung?

Die Musik! In „Hope“ versucht der Verehrer mit Musik das Herz der jungen Frau zu erobern. Ich hatte früher in der Schule Musikunterricht, und auch privat zu Hause bekam ich mehrmals von einem Musiklehrer Orgelunterricht.

Ich musste im Film einige Szenen musikalisch umsetzen, z.B. wie der Verehrer mit Musik die junge Dame aus dem Turmzimmer herauslocken möchte. Ich fand keinen passenden tauben Schauspieler, der ein Musikinstrument spielen kann. Nun spielte ich selbst.

Als Schauspielerin bevorzugte ich Diana Dallmann und ich drehte mit ihr in Ostfriesland. Sie konnte alle Szenen diszipliniert und professionell umsetzen.

Es ist natürlich wichtig in bestimmten Szenen auch musikalisch Gefühle auszudrücken und so auf die Zuschauer zu wirken. Das ist die härteste Aufgabe beim Filmemachen, Szenen mit Musik zu unterlegen. Da ich gehörlos bin und ohne hörende Hilfe arbeite, war es für mich eine echte Herausforderung. Bei der Musikauswahl muss man auch wegen des hohen Einkaufpreises gut überlegen, ob man eine günstigere Alternative findet.

 

Wie viele Filme werden in Reims gezeigt und wie stehen diesmal deine Chancen?

Insgesamt sind dort 22 internationale Filme zu sehen. In der Kategorie Animation gibt es 5 Filme. Meine Chancen stehen also gut, ich hoffe für „Hope“!

 

Danach folgt deine nächste Festivalteilnahme in Berlin. Hier triffst du wieder auf internationale Wettbewerber, wo 77 Filmemacher gegeneinander antreten. Du bist als einziger gehörlose Filmemacher, was dort niemand weiß. Was erwartet dich hier?

In Berlin bin ich wieder mir „Hope“ im Wettbewerb. Hier treffen sich professionelle Filmemacher auf Augenhöhe im Rahmen eines internationalen Filmwettbewerbs.

Schon bei der Einreichung musste ich Gebühren zahlen und die Auswahlkriterien waren sehr hoch. Ich musste den Film auch auf Englisch untertiteln. Nun kam ich in die engere Auswahl und wurde nach Berlin eingeladen. Es wird spannend! Ich werde dort auch auf der Bühne interviewt und die Veranstalter wissen nicht, dass ich gehörlos bin. Meine Tochter wird mir dolmetschen, da die Festivalsprache Englisch ist.

 

Wie schaffst du es neben deinem Job, diese aufwändigen Filme zu drehen?

Beruflich arbeite ich seit 7 Jahren bei meiner jetzigen Firma als Modellbauer mit Konstruktionskenntnissen und in Eigenregie an technischen Lösungen.

 

Für mich ist, Filme zu machen, eine kreative Abwechselung. Einfach mal nach der Arbeit neue Lösungen zu meinem aktuellen Filmprojekt auszudenken, tut mir gut. Manchmal grübele ich sogar noch im Bett und plötzlich fällt mir die Lösung ein. Aber ich frage auch bei meiner Frau nach Rat und meistens bekomme ich prompt die Lösung.

 

Du feierst dieses Jahr 10- Jähriges Jubiläum als Filmemacher. Wie hat es alles angefangen? Ich habe mir 1977, nach meiner Konfirmation aus den Geldgeschenken eine komplette schmalspurige Super 8 - Filmausrüstung gekauft, sogar mit Tonspur. So begann meine Filmkarriere! Ich lernte erst das Filmen kennen und drehte Kurzfilme bis 1985. Später 1996 wechselte ich auf VHS-Technik und 1997 wurde mein Film „Antideaf“ als bester Film auf dem Leipziger Deaf-Film-Festival ausgezeichnet. Also auf dem ersten Filmfestival der Gehörlosen in Deutschland, gewann ich meinen ersten Filmpreis!

 

Ab 1999 konzentrierte ich mich auf meinen Job. Mein dortiger Erfolg und meine Karriere haben mir sehr viel Spaß gemacht. Erst 10 Jahre später hat mich das Filmemachen wieder gepackt.

2012 besuchte ich einen Filmkurs in der Bavaria Filmstudio, ohne Gebärdensprachdolmetscher. Die wertvollen Tipps bzw. Einstellungen des Kameramannes, der auch in Hollywood „Red Tails“ gedreht hatte, haben mir sehr geholfen.

 

Meine Filme sind überwiegend Animationsfilme, Komödien oder Dokumentarfilme im Auftrag von Landesverbänden und des Deutschen Gehörlosenbundes.

In den letzten 10 Jahren habe ich auch an vielen internationalen gehörlosen Festivals teilgenommen, wie Reims (3-mal), Hongkong, Amsterdam, Dublin, Milano, München und Essen.

Und jetzt…jetzt bin ich auch bei den hörenden Festivals von Profifilmemachern dabei, wie auf dem Berlin Short Film Festival (11.07-14.07.19), wo eine prominente Jury entscheidet.

Und dann geht es hoffentlich bald nach Los Angeles zum dortigen Filmfestival….

 

 

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg in Reims und in Berlin!!

Text: Judit Nothdurft

Foto: Christopher Buhr

 
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