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Experten-Interview Mai 2020



Bei uns ist jeder herzlich willkommen - in der Kfz-Werkstatt „Fit und Flink“ werden auch Hörbehinderte ausgebildet

Ein nicht alltägliches Angebot bietet die Kfz-Werkstatt in Neuwied. Hier können die Kunden auch in Gebärdensprache beraten werden und es gibt auch ein Ausbildungsangebot für Gehörlose. Mehr darüber erzählt uns der gehörlose Ausbilder Karsten Degen.

 

Herr Degen, seit wann werden Gehörlose in der Werkstatt „Fit und Flink“ ausgebildet?

Karsten Degen: Unser Berufsbildungswerk betreibt seit 2011 eine freie Kfz-Werkstatt für jedermann. Diese Autowerkstatt Fit & flink wird mit und für beeinträchtigte Auszubildende betrieben. Im Sommer 2016 haben die ersten hörgeschädigten, mit CI versorgten Jugendlichen ihre Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker bei uns angefangen.

 

Wie viele gehörlose Azubis werden momentan hier ausgebildet und in welchen Berufen?

Der erste hörgeschädigte Auszubildende hat im Januar 2020 seine Abschlussprüfung zum Kfz-Mechatroniker bestanden und arbeitet jetzt in seinem Heimatort in Düsseldorf. Ein weiterer hörgeschädigter Auszubildender absolviert im Sommer seine Abschlussprüfung.

Ich wünsche mir, dass in nächster Zeit mehr Hörgeschädigte Interesse an der Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker oder zum Fahrzeugpfleger zeigen. Bei uns ist jeder herzlich willkommen!! Ich freue mich, wenn mehr Hörgeschädigte bei uns ihre Ausbildung starten.

 

Haben Sie auch einen Kfz-Beruf erlernt?

Ja, ich bin gelernter Kfz-Lackierer und Karosseriebauer und habe jahrelang in diesem Beruf gearbeitet. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich jedoch die Arbeit aufgeben und habe eine Umschulung zum Bürokaufmann begonnen. Nach dem Abschluss wollte ich mehr mit gehörlosen Menschen zusammenarbeiten und habe zusätzlich eine Ausbildung zum Peer Counseling absolviert. Daraufhin habe ich als Pädagogische Fachkraft für Hörgeschädigte im Berufsbildungswerk Neuwied angefangen zu arbeiten.

Während dieser Zeit nahm ich an einem Seminar für Deaf-Monitoring teil. Zum 15. März 2020 habe ich zu „Fit und Flinkgewechselt. Hier arbeite ich als Pädagogische Fachkraft für Hörgeschädigte und bin Gruppenleiter für die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).

Seit über 25 Jahren bin ich auch als Gebärdensprachdozent für VHS-Kurse und im Berufsbildungswerk Neuwied für Mitarbeiter-Kurse tätig.

 

Was sind genau Ihre Aufgaben als pädagogische Fachkraft? Wofür sind Sie in der Werkstatt zuständig?

Ich gebe Förder- und Stützunterricht für alle hörgeschädigten Auszubildenden. Dabei unterrichte ich viele verschiedene Berufsbereiche (z.B. Lackierer und Maler, im Bereich Hauswirtschaft, Metall, Logistik, Kfz-Mechatroniker usw.).

Während des Förder- und Stützunterrichts werden die Unterrichtsinhalte besprochen/wiederholt. Wenn die Auszubildenden die Aufgaben oder Texte nicht verstehen, erkläre ich sie ihnen noch einmal in Gebärdensprache. Dazu zählt auch das Wortschatztraining, also das Erlernen von Fachbegriffen und unterrichtsrelevanten Wörtern.

Zudem unterstütze ich sie bei den Prüfungsvorbereitungen für die Zwischenprüfungen und Abschlussprüfungen.

 

„Fit und Flink“ ist eine ganz normale Werkstatt. Hier arbeiten jedoch hörende Kollegen mit gehörlosen Azubis und die meisten Kunden sind ebenfalls hörend. Wie klappt die Kommunikation im Alltag?

Genau, „Fit und Flink ist eine ganz normale Werkstatt, wo jeder sein Auto reparieren lassen kann. Die Kommunikation zwischen den Azubis und Kunden klappt gut, wenn auch mit Händen und Füßen.

 

Die hörenden Kollegen bekommen von mir hier vor Ort in Deutscher Gebärdensprache (DGS) Unterricht. Einige Kollegen können schon gut DGS, da sie schon vorher an meinen Kursen teilgenommen haben.

 

Wie klappt es jetzt in der Coronakrise mit der Arbeit?

Unsere Werkstatt ist geöffnet. Wir folgen den Maßnahmen und verwenden im Alltag Masken und beachten den Abstand. Momentan sind noch alle Azubis und WfbM-Teilnehmer zu Hause. Wir bieten momentan „HeimLernPhasen“ über Videokonferenz an. Das läuft ohne Probleme. Für Hörgeschädigte funktioniert die Kommunikation über Videokonferenz immer gut.

 

Die WfbM-Teilnehmer kommen Anfang Mai wieder zurück in die Werkstatt. Dafür wurden auch schon Vorbereitungen getroffen. So bekommt jeder Teilnehmer eine Maske und zwischen den Bürotischen wurden Schutzwände gebaut. Beim Empfang/Service-Annahme haben wir ebenfalls eine Schutztrennung angebracht und im Eingangsbereich steht Desinfektionsmittel bereit.

 

Wie gehen Sie und Ihre Familie mit „Corona“ um? Was vermissen Sie zurzeit am meisten?

Meine Familie hält sich an die Maßnahmen. Meine Frau Melanie (gehörlos), meine beiden Kinder (hörend) und ich bleiben zuhause. Wir gehen nur raus, um zur Arbeit und einkaufen zu gehen. Am meisten vermissen wir Familienausflüge, wie ins Schwimmbad oder in den Zoo zu gehen. Ebenso vermisse ich das leckere Pizza-Eis aus der Eisdiele und mich mit Freunden und deren Kindern zu treffen.

 

Fühlen Sie sich genug in der Gebärdensprache informiert?

Zum Beginn der Corona-Ausbreitung wurden wir nicht genug in DGS informiert. Damit waren wir nicht zufrieden. Nach etwas Zeit wurde aber auf Facebook mehr in Gebärdensprache informiert. Dennoch reicht das unserer Meinung nach noch nicht aus! So werden z.B. Pressekonferenzen von Politikern oder andere Nachrichten zwar mit Dolmetschern angeboten, jedoch erkennt man diese nicht gut. Ich hoffe, dass dies zukünftig noch verbessert wird und es mehr barrierefreie Informationen für alle geben wird.

 

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Stefan Kring

 

 

 
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