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Experten-Interview Juni 2020



Was macht jetzt Rosana, die gehörlose Komikerin?

Wegen Corona gab es viele Einschränkungen und alle Theaterauftritte wurden abgesagt. Wie hat die berühmte gehörlose Komikerin Rosana, alias Simone Lönne, diese Zeit erlebt? Darüber habe ich mich mit ihr unterhalten.

 

Frau Lönne, wieweit waren Sie von den Corona bedingten Absagen betroffen?

Simone Lönne: Ich bekam nur über Social Media wie WhatsApp und Facebook mit, dass viele Veranstaltungen abgesagt werden mussten. Es war auch schnell sichtbar, dass viele komplette Veranstaltungen aufs Eis gelegt werden mussten und erst 2021 wieder aufgegriffen werden können.

 

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade einen Projektauftrag, der im März auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Erst Ende Mai konnten wir das Projekt fortsetzen und so bieten wir unsere Workshops jetzt nicht wie geplant vor Ort an, sondern über den Videodienst Zoom.

 

Endlich können wir fast wieder zu unserem „normalen“ Leben vor Corona zurückkehren. Was haben Sie während der Einschränkungen am meisten vermisst?

Ich verbrachte diese Zeit rund um die Uhr mit meiner Familie und hatte wenig Bedürfnis nach etwas anderem. Manchmal vermisste ich Musik, denn in den Bergen hatten wir keine Anlage, wo ich mal so richtig die Musik in schöner Lautstärke hören konnte. Ich hatte nur mein Handy bei mir, mein Laptop war zu Hause in Deutschland.

 

Ich kann sehr gut mit mir alleine sein, aber ich freue mich auf die Zeit, mit Freunden zusammen zu sitzen und miteinander zu lachen.

 

Kürzlich hatte ich meine ersten Videokonferenz über Zoom mit meinem Team und ich habe so herzlich gelacht, dass mir die Tränen kamen. Das Gesprächsverhalten ist so anders. Besonders die Zwischenrufe unter fünf tauben Menschen in Zoom: „Tobias, Tobias, Tobias….ich möchte was sagen…“  Das erinnerte mich so sehr an die Funk-Meldungen wie „Mayday, Mayday, Mayday…“ Daran merke ich, dass mir das gemeinsame Lachen in der Gruppe schon gefehlt hat.  (ich habe den Namen Tobias gewählt, um den echten Namen anonym zu halten)

 

Wie und wo haben Sie die Corona-Zeit erlebt?

Ich war 8 Wochen in Frankreich vom 13.März bis zum 12. Mai, als die Ausgangsperre aufgehoben wurde. Als die Botschaft uns erreichte, zu Hause zu bleiben, war ich gerade in Frankreich eingetroffen, um meine Familie zu besuchen. Am Tag vor der offiziellen Ausgangsperre fuhren wir hoch in die Bergen zum Skilaufen. Es war recht wenig los auf der Piste, so mein Eindruck. Ich selbst fahre nicht oft Ski, aber ich kann sagen, etwas war da anders als sonst. Am nächsten Tag verhängte der französische Staat für alle eine absolute Ausgangsperre.

Ich war gerade 3 Tage dort und merkte, wie entspannt ich war. Es lag auch daran, dass ich mich erst richtig gefreut habe, nach langer Zeit meine Familie wiederzusehen. Außerdem wohnte ich in den französischen Alpen, in einem überschaubaren Dorf mit vielen Bergwiesen um uns herum, so dass ich die Ausgangsperre nicht gleich zu spüren bekam.

 

Erst nach und nach sah ich, wie der Alltag sich veränderte und dann gab es folgende Regeln:

- nur mit einem Papier unter Angabe des eigenen Namens und der Adresse sowie Uhrzeit bei Abfahrt bzw. Ausgang und einer Begründung zum Ausgang, durfte man raus gehen

- nur eine einzelne erwachsene Person durfte einkaufen gehen

- bis zu einer Stunde war es erlaubt, spazieren zu gehen oder der Spaziergang durfte nicht weiter als 1 km weit vom Wohnort sein

- nur mit Mundschutz raus gehen

 

Also, ich verbrachte die ganze Zeit mit der Ausgangsperre in Frankreich. Es war ganz normaler Alltag beginnend mit Feuer im Kamin, mit dem gemeinsamen Kochen, Essen, Spielen, Basteln, Malen, Tanzen, Reden. Durch die Ausgangsperre waren wir kreativer als sonst. Ich vermisste in dieser Zeit kaum andere Menschen und wenn, dann nahm ich mein Handy und quatschte abends mit meinen Freunden über FaceTime.

 

Können Sie als Komikerin solche Lebenseinschnitte wie Ausgangsbeschränkungen besser ertragen?

Meine Rolle als Komikerin liegt etwas länger zurück, aber mit meinem Humor habe ich auch so viel Freude und Spaß trotz Ausgangsbeschränkungen gehabt.

 

Haben Sie sich als Gehörlose genug über Corona informiert gefühlt?

Mehr als genug! Ich las in Google, in Facebook. Meine Eltern und meine Freunde berichteten mir in regelmäßigen Abständen, was gerade in Deutschland los war. In Frankreich hatte ich keinen Fernseher, keine Zeitung, aber Dank Social Media war ich genug informiert.

Weitaus mehr Sorgen bereitete mir, wie ich nach Hause kommen konnte. Alle Züge, alle Busse, alle Flüge waren stillgelegt. Alle Grenzen waren dicht. Einzig die Autovermietung hat mir ein Auto zur Verfügung gestellt, aber ich hatte keine 950 Euro parat, um die Automiete zu zahlen. Ich kann wirklich nicht klagen, dass ich solange in Frankreich bleiben musste.

 

Es war mir manchmal nur bange, weil die Corona-Zeit mir so unberechenbar schien. Ich war darauf angewiesen, einfach zu warten bis die Ausgangsperre wirklich aufgehoben wurde. Man brachte mich mit dem Auto bis nach Annemasse, einem Ort kurz vor der schweizerischen Grenze. Dann setzte ich mich in die S-Bahn, fuhr alleine weiter über die Schweizer-Grenze bis nach Genf; von dort aus fuhr ich mit dem Zug nach Potsdam.

Am späten Abend war ich sehr erleichtert, endlich in meinem eigenen Zuhause angekommen sein! Ich hatte Sorge, dass ich auf dem Weg irgendwo von der Polizei angehalten und zurückgeschickt werde, weil vielleicht eine offizielle Anweisung vorliegt, von der ich nichts weiß.

 

Sie haben sich vor einiger Zeit als Rosana von der Bühne verabschiedet…

Ja, aus familiären Gründen! Ich bin gerne Mutter und verbringe gerne die Zeit mit meinen Kindern. Dazu ging ich auch arbeiten. Da war mir meine Familie und mein Job wichtiger als Rosana. Wer weiß, vielleicht komme ich wieder auf die Bühne als Rosana?. Im Moment ist Rosana schon weit weg…außerdem probiere ich mich gerne in anderen Projekten aus. Mal sehen, ich bin da recht entspannt!

 

Sie sind gelernte Erzieherin und Krankenpflegerin. Was machen Sie jetzt beruflich?

Ich bin derzeit in einer Orientierungsphase, wie und wo ich freiberuflich arbeiten kann. Noch kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, was ich anbieten kann. Ich habe viele Ideen, daran mangelt es nicht, nur weiß ich wirklich nicht, was ich umsetzen kann.

In Corona-Zeiten ist an einen Workshop nicht zu denken. Viele Workshops werden über in die neue Plattform Zoom gehalten. Daher muss ich mich im Moment mehr mit der virtuellen Welt vertraut machen. Lange Zeit reichte es mir, nur Mails zu senden. Jetzt sollte ich wohl meine Angst überwinden und die PC-Welt mehr kennenlernen. Uff…

 

Wie geht es für Sie zukünftig künstlerisch weiter?

Mein nächster Schritt wäre, als Freiberuflerin mein kreatives Potential auszuschöpfen, was ich wirklich kann und machen kann. Ich liebe es, vor Menschen zu erzählen, ich mag es sehr kreativ bzw. produktiv zu sein und mit Humor lösungsorientiert zu arbeiten.

 

Innerhalb der Gebärdensprach-Community gibt es genug zu tun. Getreu dem Motto: eine Kultur räumt auf, wie ich gerade in der Community dank Corona-Zeiten stark erlebe. Ich kann mir durchaus vorstellen, auch Tabu-Themen wie Gewalt anzugehen oder auch ganz andere Seiten an mir zu zeigen. Eine, die nicht nur lacht, sondern auch nachdenklich ist, die sich Gedanken um eine friedvollere, buntere Welt macht.

 

Jetzt mit fast 50 Jahren hoffe ich, mein Wissen und Lebenserfahrungen weitergeben zu können. Ich habe erlebt, wie unflexibel das Leben im System bislang gewesen war. Ich hoffe sehr, dass dank Corona ein neues System aufgebaut wird. Jetzt ist längst überfällig, dass die Basis bzw. das Volk zu Wort kommen.

 

Als Komikerin möchten Sie die Leute auf der Bühne zum Lachen bringen. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Auftritte vor?

Ich schreibe meine Ideen auf, mache Pointen schriftlich fest, probe vor der Kamera und prüfe nach, ob die Pointe sitzt und klar ist. Für die Bühne ist es für mich wichtig, dass mein Wortwitz klar und deutlich ist, auch nicht zuletzt wegen der Zeitangabe.

Es ist ein Unterschied, ob ich für 10 Minuten Comedy mache oder für 90 Minuten. Das ist eine Arbeit, die nicht einfach so spontan entsteht! Der Rest ist Improvisation. Mir fällt es eigentlich leichter, zu improvisieren, aber für die Bühne brauche ich einen festen Rahmen.

Mein Verantwortungsgefühl ist groß und ich habe jedes Mal Lampenfieber! Da kommen mir schon Gedanken wegzulaufen. Da kriege ich zeitweise Blackout, weiß dann nicht mehr, was mich gleich auf der Bühne erwartet.

Sobald ich auf der Bühne bin und das Licht auf mich fällt, legt sich in mir ein Schalter um: Mach dein Ding und nichts anderes. Meistens klappt es gut, manchmal haue ich komische Pointen raus oder verliere mich in endlose Monologe, die gar nicht geplant sind.

Privat kann ich lustig sein, wie ich will, da gibt es kein Limit, keine festen Vorgaben, keine Angst vor Fehlern.

 

Wann können wir Sie wieder auf der Bühne sehen?

Das weiß ich nicht wirklich nicht. Wenn meine innere Stimme mir sagt, es ist soweit, dann ist es soweit.

 

Bleiben Sie gesund und vielen Dank für das Interview!

Danke für die Einladung. Bleiben Sie auch gesund. :)

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Simone Lönne

 

 

 
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