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Experten-Interview Januar 2012



VerbaVoice: Der Dolmetscher zum Zuschalten – jetzt kostenlos testen!

 

Interview mit Michaela Nachtrab, der Erfinderin und Gründerin von VerbaVoice.

 

Judit Nothdurft: Frau Nachtrab herzlichen Glückwunsch zum Darboven IDEE-Förderpreis. Das Jahr 2011 war für Sie beruflich und privat sehr erfolgreich……

Michaela Nachtrab: Ja das stimmt, es sind viele schöne Dinge passiert.

Mit unserem mobilen Dolmetschdienst VerbaVoice geht es gut voran, wir konnten große Entwicklungsschritte machen. Die Plattform bietet weitere neue Möglichkeiten für die Nutzer und wir erhalten sehr viel positives Feedback.

Das ganze VerbaVoice-Team hat sich außerdem sehr über die Auszeichnungen durch Ashoka sowie den Darboven IDEE-Förderpreis gefreut.

Und natürlich war die Geburt meiner Tochter Isabella im September ein tolles Erlebnis, mein Mann und ich sind sehr glücklich mit ihr.

 

Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, einen mobilen Dolmetscherdienst aufzubauen?

Während meiner vorherigen beruflichen Tätigkeit mit gehörlosen Menschen stieß ich immer wieder auf Probleme durch akuten Dolmetschermangel. Oft konnte ich Dolmetscher-Anfragen nicht besetzen und die Gehörlosen standen ohne Unterstützung da. Das fand ich sehr schlimm.

Als ich meinen jetzigen Mann Robin Ribback kennen lernte, erzählte ich ihm von der schwierigen Situation. Da er Wirtschaftsinformatiker ist, haben wir gemeinsam überlegt, wie man das Problem mit Hilfe der neuen Medien lösen könnte. So entstand das technische Konzept. Im Rahmen meiner MBA-Masterarbeit habe ich dann das Geschäftskonzept dafür entwickelt und entschied mich, dieses auch in die Tat umzusetzen.

 

Erklären Sie uns bitte am besten an einem Beispiel, wie VerbaVoice funktioniert?

Zuerst muss sich der Nutzer bei uns registrieren. Das geht ganz einfach bei "Login" auf der Startseite rechts oben ("Neu anmelden"). Das Registrieren ist kostenlos und unverbindlich.

Wir unterstützen z.B. sehr viele gehörlose und schwerhörige Studenten. In der Vorlesung trägt der Professor/Dozent ein ansteckbares drahtloses Mikrofon. Die Sprache wird über das Mikrofon an den Laptop des Studenten und anschließend über das Internet an einen Schriftdolmetscher übertragen. Dieser arbeitet von zu Hause, hört die Vorlesung mit und überträgt die sprachlichen Inhalte in Text. Diesen Text schickt er über das Internet zurück auf den Laptop. Die Studenten können so einfach auf ihrem eigenen Laptop mitlesen, was in der Vorlesung gesprochen wird. Man kann z.B. auch vor- und zurückscrollen (also nachlesen) und auch eine Mitschrift (Protokoll) ist möglich.

Auf Wunsch von vielen Gehörlosen haben wir auch die Möglichkeit entwickelt über eine Video-Verbindung Gebärdensprachdolmetscher zuzuschalten, so klappt auch Ferndolmetschen in DGS.

 

Wir haben auch einen Infofilm auf unserer Website www.verbavoice.de, in welchem einer unserer gehörlosen Mitarbeiter in Gebärdensprache genau erklärt, wie VerbaVoice funktioniert.

 

Wenn man einen Dolmetscher braucht, muss man dies vorher anmelden. Muss ich bei ihnen auch anmelden, wenn ich Dolmetscher brauche, oder kann ich mich einfach einloggen?

Im Moment muss man den Dolmetscher vorher bei uns bestellen. Wir sind jedoch sehr schnell in der Organisation, da wir Dolmetscher von überall zuschalten können. Besser ist es natürlich, wenn wir etwas mehr Vorlauf haben. Unser Ziel ist es, dass wir den Dienst später auch spontan anbieten können.

 

Bei längeren Einsätzen wechseln sich die Dolmetscher ab. Ist dies bei Ihnen auch der Fall?

Ja genau. Wir haben unsere Plattform so entwickelt, dass sich die Dolmetscher abwechseln können. Der Text bzw. das Video läuft dabei einfach weiter und der Nutzer kann durchgehend lesen/zusehen.

 

Wie hoch sind die Kosten?

Die Kosten für die Einsätze orientieren sich an den Vorgaben durch die öffentlichen Kostenträger. Sie setzen sich zusammen aus der Dolmetschzeit (ca. 30,00 bis 55,00 Euro/Std. für die Dolmetscher) sowie einer Plattformgebühr (10,50 bis 20,00/Std. bei Einzelbesetzung). Die Fahrtkosten von Dolmetschern fallen komplett weg und dadurch sind die Gesamtkosten immer günstiger.

 

Wer übernimmt die Kosten für die Dolmetschereinsätze?

Die gehörlosen und schwerhörigen Nutzer müssen nichts selbst bezahlen. Die Finanzierung der Dolmetsch-Einsätze übernehmen die üblichen Kostenträger, die auch bei Dolmetschereinsätzen vor Ort zuständig sind. Das sind z.B. die Integrationsämter für den beruflichen Bereich, die Agentur für Arbeit (Vorstellungsgespräche, schulische Ausbildung) oder die Kommunen und Sozialleistungsträger für die Studenten.

 

Wer bezahlt die private Nutzung für VerbaVoice-Einsätze?

Mein Ziel ist, dass wir VerbaVoice in Zukunft auch kostenlos für die private Nutzung anbieten können. Wir arbeiten gerade an einem Konzept für die Finanzierung und suchen dafür auch Sponsoren. Ich möchte damit noch dieses Jahr starten, um auch taube und schwerhörige Menschen privat unterstützen zu können.

 

Kann man VerbaVoice auch testen?

Ja! Sehr gerne bieten wir Testeinsätze an. Eine Online-Einführung und die Test-Einsätze z.B. für Schüler und Studenten sind kostenlos. Bei Interesse am besten eine E-Mail schicken an info@verbavoice.de  Dann können wir einen Einführungs- und Testtermin vereinbaren.

 

Welches technische Endgerät braucht man, um VerbaVoice zu nutzen? Genügt z.B. auch ein Smartphone oder ein iPhone?

VerbaVoice kann man mit allen Endgeräten nutzen, die einen Internetzugang haben (Wlan, Lan oder UMTS). Möglich ist es mit Laptop, PC, Tablet-PC (z.B. iPad), Smartphone mit Android-Betriebssystem und jetzt auch neu mit iPhone.

Es ist nur ein Internetzugang mit einem normalem Browser notwendig (z.B. Windows Explorer, Chrome oder Firefox). Man braucht keine spezielle Software.

 

Wie groß ist eigentlich Ihr Team und wie viele Gehörlose beschäftigen Sie?

Wir haben inzwischen insgesamt 12 Personen im Team. Davon sind 4 Mitarbeiter gehörlos bzw. hochgradig schwerhörig (drei Festangestellte und eine Praktikantin).

 

Welchen Einfluss haben die gehörlosen Mitarbeiter auf die Produktgestaltung und Weiterentwicklung?

Die gehörlosen Mitarbeiter sind sehr intensiv in die Produktgestaltung eingebunden. Uns ist wichtig, dass wir das System so entwickeln, dass die gehörlosen Nutzer damit zufrieden sind. Wir bitten auch immer um Feedback und passen die Weiterentwicklung dem tatsächlichen Bedarf an.

Zwei unserer Entwickler sind selbst gehörlos bzw. schwerhörig. Sie können das Feedback dann gleich in der Weiterentwicklung einbringen.

 

Wie hoch waren bis jetzt die Übersetzungsstunden und wo wurde VerbaVoice bis jetzt am meisten benutzt?

Wir haben inzwischen fast 3.000 Dolmetsch-Stunden durchgeführt. Der meiste Bedarf war bisher im Bereich Bildung (Inklusion in Schule sowie im Studium/an der Uni und Hochschule) sowie im beruflichen Einsatz. Für 2012 rechnen wir mit ca. 20.000 Dolmetschstunden.

 

Kann ich VerbaVoice auch vom Ausland aus im Urlaub benutzen? Wenn ja, wie hoch sind hierfür die Kosten?

VerbaVoice kann man immer und von überall auf der Welt einsetzen. Man braucht nur einen Internetzugang mit Mikrofon bzw. ein Smartphone/iPhone. Die Kosten für die private Nutzung sind unterschiedlich je nach Einsatzgebiet und Dauer. Es kommt auch darauf an, ob man eine gleichzeitige Übersetzung haben möchte.

 

Haben Sie auch Kunden außerhalb von Deutschland?

Ja, wir erhielten bereits letztes Jahr Anfragen aus Österreich und aus der Schweiz. Jetzt im Januar sind wir z.B. bei einer Konferenz in Wien und bieten vor Ort Live-Transkription Englisch-Deutsch zum Mitlesen auf Leinwand an.

Inzwischen könnten wir den Transkriptionsdienst sogar auf Spanisch und Italienisch durchführen.

 

Sie entwickeln zurzeit eine App, mit der eine Live-Untertitelung im Fernsehen möglich wäre. Wie soll sie funktionieren?

Die so genannte HbbTV-App bringt Internet und Fernsehen zusammen. Gehörlose Nutzer können eine Box an ihren Fernseher anschließen. Über diese Box kann man dann Untertitel einfach zum Fernsehbild online „zuschalten“.

Das bietet für die Nutzer erstmals die Möglichkeit, Untertitel auch individuell anzupassen (z.B. Text größer oder kleiner, oder verschieben). Auch die Einblendung von Gebärdensprachdolmetschern ist hierüber möglich. Aktuell sprechen wir mit verschiedenen Fernsehsendern, die Interesse haben, dieses System zu unterstützen.

 

Ich freue mich schon darauf, wenn wir das Ziel 100% Untertitel mit Hilfe unserer Technologie unterstützen können!

 

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Michaela Nachtrab

 
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