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Experten-Interview Februar 2013



„Phæno“ Ausstellung in Wolfsburg: Experimentieren und Museumsführung in DGS!

 

Wenn wir den Namen Wolfsburg hören, denken wir alle an VW. Dass hier eine spannende Ausstellung ist, wissen die Wenigsten. Das Museumsgebäude ist sogar eines der zwölf bedeutendsten modernen Bauwerke der Welt!

Larissa Lönnecke hat hier eine Führung extra für gehörlose Besucher, natürlich in DGS, entwickelt.

 

Judit Nothdurft: Frau Lönnecke, was kann man hier im „Phæno“ sehen? Warum ist dies eine besondere Ausstellung?

Larissa Lönnecke: Phæno ist etwas besonderes, weil es eine Experimentierlandschaft ist. Anders als in gewöhnlichen Museen können die Besucher auf spielerische, aktive Art und Weise in die Welt der Naturwissenschaft eintauchen und dabei interessante Phänomene kennenlernen. „Phänomen“ bedeutet hier etwa ein besonderes Naturereignis, etwas Außergewöhnliches, das man beobachten und wahrnehmen kann. Das ist auch, wovon phæno lebt: selbst wahrnehmen, experimentieren, entdecken und spielen.

Dabei muss man kein Experte sein! Alle Altersgruppen können sich frei im Haus bewegen und je nach Interesse Ausstellungsstücke (auch Exponate genannt) aus den Bereichen „Sehen“, „Fühlen“, „Spiegel“; „Dynamik“ und „Energie“ ausprobieren.

 

Was zeigen Sie den Besuchern in Ihrer zweistündigen Führung?

Nach der Begrüßung erzähle ich kurz über das Gebäude und gebe Tipps zur Orientierung. Während der Führung stelle ich den Besuchern aus jedem Themenbereich ein paar Ausstellungsstücke vor. Wir probieren die Stationen aus und finden heraus, wie das Phänomen funktioniert, was dahinter steckt. Wo kann man dieses Ereignis im Alltag oder in der Natur finden?

Während der Führung kann mir jeder seine Fragen stellen. Ich gehe gern auf Interesse und Wünsche meiner Besucher ein. Ich habe mir auch überlegt, welche Ausstellungsstücke für Taube am Interessantesten sein könnten! Meine Führung durch das Haus kann ich flexibel gestalten. Es hängt von der jeweiligen Gruppe ab, auf welche Exponate wir einen Schwerpunkt setzen und wie viel Zeit wir in den verschiedenen Bereichen verbringen.

Die Teilnehmer sollen Spaß haben und möglichst viele interessante Informationen mitnehmen, daher ist es mir wichtig, das Ganze so stressfrei wie möglich zu halten!

 

Wie Sie schon sagten, hier kann man (fast) alles ausprobieren….

Genau! Hier kann jeder selbst experimentieren, man kann z.B:

- einen Ball im Luftstrom balancieren

- seine Reaktionszeit testen

- die Blutgefäße im eigenen Auge betrachten

- den eigenen Gleichgewichtssinn in einem schiefen Haus herausfordern

- das eigene Gesicht älter oder jünger aussehen lassen

- Stromstärken oder Vibrationen im Körper spüren

- farbiges Licht mischen

- verschiedene 3D-Effekte erfahren

- die sechs Beine eines Marienkäfers steuern

- sich in einem Spiegel verzerren oder dicker machen lassen

- auch in die Unendlichkeit sehen und und und…

Jedes Wissensgebiet, Interesse und auch fast jeder Sinn wird hier auf die Probe gestellt, geweckt oder aktiviert.

Es gibt natürlich Aktionen zum Bestaunen wie z.B. der Feuertornado.

 

Dies ist die Gebärde für phæno.

 

Was könnte für gehörlose Besucher besonders interessant sein?

Die Architektur des Gebäudes erzeugt bei gehörlosen Menschen bereits ein anderes Gefühl als bei Hörenden: Die offene Deckengestaltung sorgt für einen hohen Lärmpegel. Aufgrund der Lautstärke wäre es fast unmöglich hörende Besucher zwei Stunden lang durch die Ausstellung zu führen, da irgendwann die Konzentration nachlassen würde.

 

Bestimmte Bereiche der Ausstellung sind besonders auf Sehen und Fühlen ausgelegt. Diese Stationen steuere ich mit meiner Führung verstärkt an, um die Gehörlosen möglichst viele verschiedene Sinneseindrücke erleben zu lassen. Hierzu eignet sich die neue Sonderausstellung „Licht. Schatten. Farbe.“ besonders gut. Die Teilnehmer können hier mit Hilfe des Fingeralphabets ihren Namen an einer Schattenwand hinterlassen – Hörende könnten ihren Namen nicht verewigen.

An anderen Stationen ist es sogar möglich den gehörlosen Teilnehmern durch Sehen und Fühlen Musik spüren zu lassen.

 

Welcher Altersklasse empfehlen Sie, die Ausstellung zu besuchen?

Die Ausstellung ist für jedes Alter geeignet. Vom Kleinkindalter bis ins hohe Alter werden Interesse und Spaß geweckt. Die Ausstellungsstücke sind mit Informationstexten und Bildern versehen. Unsere Mitarbeiter auf der Ausstellungsfläche, die phænomen / phænowomen (so nennen wir sie) helfen beim Experimentieren sehr gerne weiter.

 

Gibt es Angebote, die speziell für Kinder besonders interessant sind?

Für Kindergruppen aus Kita-s, Kindergärten oder Schulen und für begleitete Jugendgruppen haben wir unterschiedliche Angebote. Wir haben Workshops für Kindergartenkinder wie z.B. die vier Elemente: Wasser, Feuer, Luft und Erde. Außerdem machen wir auch Führungen und selbstständige Entdecker-Touren, die in die Ausstellung und Architektur von phæno einführen.

Geburtstagskindern bieten wir zwei verschiedene Möglichkeiten mit ihren Freunden einen schönen Tag im phæno zu verbringen. Sie können unter Anleitung unserer Mitarbeiter etwas bauen oder bekommen von ihnen eine lange Spaß-Tour durch die Ausstellung.

 

Für Kinder, die mit Familie die Einrichtung besuchen, ist sicher bereits die Ausstellung an sich sehr interessant. Es gibt natürlich Ausstellungsstücke, die Kinder besonders anziehen, wie unser „Hexenhaus“. Es dreht sich und das Gleichgewicht wird herausfordert.

Um die Eltern zu informieren, welche Exponate besonders spannend sein könnten, ist an der Kasse eine Liste mit Tipps erhältlich. An Wochenenden und Feiertagen haben wir außerdem unser „Offenes Labor“ im Angebot. Hier können die Kinder etwas selbst basteln oder löten.

 

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, eine Führung für Gehörlose zu entwickeln?

Diese Idee entstand bereits bei meiner Bewerbung, also noch bevor ich mein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) anfing. Ich habe bei meiner Bewerbung von meinen Gebärdensprachkenntnissen erzählt. Mein zukünftiger pädagogischer Begleiter hat mir vorgeschlagen, dass ich es in mein Projekt einbinde. So habe ich meine Museumsführung entwickelt. Es ist ein eigenständiges Projekt, wovon auch die Einrichtung einen Nutzen hat. Und ich habe die Möglichkeiten mich auszuprobieren und etwas selbstständig auf die Beine zu stellen.

 

Die Kenntnisse über Gebärdensprache und die Gehörlosenwelt verdanke ich meinen Eltern. Sie sind beide seit Kleinkindalter an taub. Mein ebenfalls hörender Bruder und ich sind so von Anfang an zweisprachig aufgewachsen; mit den Eltern in der Gebärdensprache und mit den Großeltern in der Lautsprache.

Nachdem ich phæno näher kennengelernt habe und mich mit den Themen auseinander gesetzt hatte, fielen mir sofort verschiedene Möglichkeiten ein, Gehörlose in mein Projekt zu integrieren. So kam ich schnell auf die Idee, mein Wissen über die Gebärdensprache in Form von Führungen einzusetzen. Es ist für mich eine schöne Vorstellung die Gehörlosen in eine „Experimentier-Welt“ eintauchen zu lassen, die schon viele andere Menschen begeistert hat, sogar mal eine Gruppe Blinder.

 

Momentan sind drei Termine für Gehörlose geplant…

Diese drei festgelegten Termine sind für Einzelbesucher gedacht. Die erste Führung findet am 02.02.13 statt, die folgenden am 06.04.13 und am 01.06.13. Der Beginn ist jeweils um 10:00 Uhr im Eingangsbereich. Falls die Nachfrage sehr hoch sein sollte, werden wir auf jeden Fall weitere Termine ansetzen.

 

Kann man Ihre DGS Führung auch zu anderen Terminen buchen? Zum Beispiel wenn Schulklassen oder Gruppen, die Ausstellung besuchen möchten?

Ja! Über Gruppenanmeldungen von 6-18 Personen für einen extra Termin würden wir uns sehr freuen. Die Gruppe kann aus einer Schulklasse, Vereinsmitgliedern oder aus Freunden, Familie und Bekannten bestehen, das spielt keine Rolle. Sie können mich mit der genauen Personenanzahl und Kontaktdaten über E-Mail oder Faxnummer kontaktieren und ein gewünschtes Datum mit der Uhrzeit absprechen.

 

Wer shoppen möchte, bekommt hier auch etwas geboten…

Oh ja! Unser Shop hat eine ganz große eigene Ecke auf der Ausstellungsfläche. Hier wird jedes Kinderherz dank eines bunten, lustigen oder außergewöhnlichen Artikels glücklich. Aber auch Erwachsene, die verblüffende Tricks mögen oder ein Geschenk suchen, sind hier gut aufgehoben. Einige der Waren, die wir hier verkaufen, sind kleine Nachbildungen von Exponaten aus der Ausstellung oder zeigen einen ähnlichen Effekt.

 

Es besteht auch eine bunte Mischung von vielen Büchern und Spielen. Einige der Bücher sind wissenschaftlich, andere anschaulich, lustig, zum Rätseln, Basteln oder bestehen nur aus Bildern. Auch hier ist wieder für Groß und Klein etwas dabei.

 

Sie absolvieren hier bis Ende August Ihr Freiwilliges Soziales Jahr. Was machen Sie danach?

Was mich in der Zeit nach dem FSJ erwarten wird, weiß ich noch nicht genau. In den Bereich Sonderpädagogik möchte ich allerdings nicht gehen, das steht schon fest. Dennoch möchte ich gerne einmal mit vielen Menschen zu tun haben und etwas Abwechslungsreiches machen. Ich möchte auch gleich durchstarten und strebe daher erst mal eine Ausbildung an, studieren kann ich danach immer noch.

 

 

 

Text: Judit Nothdurft

Bilder: Quelle: phæno

 

 
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