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Experten-Interview Juni 2013



Verliebt, verlobt, verheiratet? Mit oder ohne Ehevertrag – Beratung in Gebärdensprache

 

Welche Rolle ein Ehevertrag spielt, hierzu habe ich die Rechtsanwältin Manja Manuela Mehnert aus Berlin interviewt, die Ihre gehörlosen Klienten in Gebärdensprache berät.

 

Jedes Jahr im Mai werden besonders viele Ehen geschlossen. Leider landet aber jede dritte deutsche Ehe früher oder später vor dem Scheidungsrichter. Bei vielen Eheleuten beginnt dann die Schlammschlacht, die Nerven und vor allem Geld kostet. Dabei hätte man in einem Ehevertrag, die Zukunft der Beteiligten schon vorher klären können.

 

Judit Nothdurft: Frau Mehnert ist ein Ehevertrag für alle interessant oder nur für reiche Leute?

Frau Mehnert: Ob ein Ehevertrag gewünscht ist, ist eine individuelle Entscheidung, die jedes Paar für sich treffen muss. Ab wann ist man reich? Für einen Selbstständigen oder Freiberufler kann eine Scheidung existenzbedrohend sein, wenn der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt und das erwirtschaftete Geld mit dem Betrieb gebunden ist. Auch wenn am Anfang der Ehe wenig Vermögen vorhanden ist, kann sich dies während der Ehe ändern. Auch bei binationalen Paaren, d.h. wenn die Eheleute unterschiedliche Nationalitäten haben, kann ein Ehevertrag sinnvoll sein, um beispielsweise eine Rechtswahl zu treffen oder den Wohnsitz zu bestimmen. Es können also auch Regelungen für die Ehe getroffen werden.

 

Was wird genau in einem Ehevertrag geregelt?

Im Ehevertrag werden Regelungen für den Fall vereinbart, dass die Ehe scheitert. In der Regel werden Vereinbarungen zum Güterstand, Versorgungsausgleich, Unterhalt sowie Hausrat und Ehewohnung getroffen. Auch erbrechtliche und pflichtteilsrechtliche Vereinbarungen können mit aufgenommen werden. Eine verbindliche Regelung des Sorgerechts ist hingegen nicht möglich, da hier immer das Kindeswohl entscheidend ist.

 

Muss man den Vertrag unbedingt beim Rechtsanwalt oder Notar machen lassen oder kann man eine schriftliche Vereinbarung mit dem Partner auch einfach zu Hause formlos verfassen?

Nach deutschem Recht muss ein Ehevertrag notariell beurkundet werden. Ansonsten ist er nicht wirksam. Eine Beratung durch einen Rechtsanwalt ist durchaus sinnvoll, damit nicht nur alle rechtlichen Aspekte, sondern insbesondere auch die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Eheleute berücksichtigt werden.

 

Durch das neue Unterhaltsrecht sind Frauen, die sich um die Kindererziehung kümmern, besonders arm dran…

In früheren Zeiten war es tatsächlich so, dass Hausfrauen nach der Scheidung eine lebenslange Versorgung von dem Ehemann verlangen konnten. Im Verlaufe der letzten Jahre stellten die Gerichte jedoch die nacheheliche Eigenverantwortung immer mehr in den Vordergrund. Mit der Unterhaltsreform 2008 wurde dieser Grundsatz auch gesetzlich verankert. So kann jetzt der Ehemann eine Befristung oder Begrenzung der Unterhaltspflichten verlangen. Dies hat zur Folge, dass auch eine geschiedene Ehefrau, die sich während der Ehe ausschließlich um den Haushalt und die Kindern gekümmert hatte, nach der Scheidung so bald wie möglich eine bezahlte Arbeit aufnehmen muss. Zum März 2013 wurde diese Reform allerdings etwas entschärft. Bei langjährigen Ehen wird die Dauer der Ehe jetzt wieder stärker berücksichtigt.

 

Was ist durch den gesetzlichen Zugewinnausgleich geregelt? Muss man nicht alles sowieso im Falle einer Scheidung teilen?

Was Viele nicht wissen: Die Vermögen der Ehegatten sind beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft getrennt. Kein Ehegatte haftet für die Schulden des anderen. Eine gemeinsame Haftung besteht nur bei gemeinsam aufgenommenen Schulden, wenn beispielsweise ein Darlehensvertrag von beiden unterschrieben wurde.

Nur bei Auflösung der Ehe findet ein Ausgleich statt, wenn einer der Ehegatten während der Ehe mehr Vermögen erwirtschaftet hat, als der andere. Dies erfolgt in der Weise, dass bei beiden Ehegatten das sog. Endvermögen, d.h. das am Ende der Ehe vorhandene Vermögen, ermittelt wird. Hiervon wird das sog. Anfangsvermögen, d.h. das bei der Eheschließung vorhanden gewesene Vermögen abgezogen. Danach verbleibt also das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen, d.h. der Zugewinn.

 

                       

Ehemann

 

Ehefrau

 

Endvermögen

Endvermögen

abzüglich

-      Anfangsvermögen

-      Anfangsvermögen

 

=

 

 

Zugewinn des Ehemanns

 

Zugewinn der Ehefrau

 

Der Zugewinn des Ehemannes wird dann dem Zugewinn der Ehefrau gegenübergestellt, um einen etwaigen Unterschied zu ermitteln und diesen auszugleichen. Diesbezüglich kann in einem Ehevertrag beispielsweise die Höhe des jeweiligen Anfangsvermögens festgehalten werden, um einen späteren Streit darüber zu vermeiden. Insbesondere bei langjährigen Ehen stößt die korrekte Ermittlung der Höhe des Anfangsvermögens oft auf erhebliche Schwierigkeiten.

 

Was raten Sie unseren Lesern, die sich jetzt für einen Ehevertrag interessieren würden. Sollen sich die Partner erst mal voneinander unabhängig, getrennt beraten lassen?

In jedem Falle sollte sich jeder Partner Gedanken über seine Wünsche und Bedürfnisse an die Ehe und somit an die Regelungen in einem Ehevertrag machen und sich entsprechend informieren. Eine getrennte anwaltliche Beratung kann daher sinnvoll sein.

 

Was kostet ein Ehevertrag? Wo wird er aufbewahrt?

Die Kosten eines Ehevertrages berechnen sich nach den Gebührenordnungen für Rechtsanwälte bzw. Notare. Maßgeblich für die Höhe der Gebühren ist der Wert des beim Abschluss des Vertrages vorhandenen Vermögens.

 

Das Original des Ehevertrages wird beim Notar aufbewahrt. Die vertragsschließenden Parteien erhalten jeweils beglaubigte Abschriften davon. Man kann von dem Notar auch später jederzeit eine beglaubigte Abschrift verlangen, wenn das ursprüngliche Exemplar etwa nicht mehr auffindbar ist.

 

Muss man den Ehevertrag abschließen, bevor man heiratet oder kann dies auch später während der Ehe noch erfolgen?

Ein Ehevertrag kann vor oder während der Ehe geschlossen werden. Allerdings setzt dies voraus, dass sich die Partner (noch) einigen können. In einer Erbrechtsvorlesung sagte ein Professor einmal: „Der Ehevertrag wird zu einem Zeitpunkt gemacht, wo die Partner sich lieb haben für einen Zeitpunkt, wo sie sich nicht mehr lieb haben.“ Zu bedenken ist daher, dass zerstrittene Ehegatten oft nicht mehr in der Lage sind, gütliche Einigungen zu treffen!

 

Sie haben als Rechtsanwältin auch zwei andere Fachgebiete, die speziell für Hörbehinderte und Gehörlose sehr interessant sind...

Ja, ich berate Hörbehinderte bei der Kostenübernahme von Hörgeräten und bei der Feststellung des Behinderungsgrades. Hier bin ich bundesweit tätig. Die Kommunikation mit den Mandanten erfolgt in der Regel per E-Mail oder Fax. Eine persönliche Anreise nach Berlin ist nicht erforderlich, zumal auch das Verfahren bei den Krankenkassen und den anderen Behörden schriftlich abläuft.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Manja Manuela Mehnert

 
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