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Experten-Interview Juli 2014



Die deutsche Gehörlosenkultur begeistert mich immer mehr und mehr

 

Wie ein Komet am Sternenhimmel der Hörbehinderten erschienen plötzlich hearZONE das Internetportal, kurz darauf das Online Magazin. Doch wer ist Jonas Straumann, der die Fäden beider Medien in der Hand hält?

 

Sie wissen anscheinend sehr viel über die Gehörlosenkultur, die Barrieren von Hörbehinderten und aktuelle Probleme. Aber wir wissen von Ihnen fast gar nichts …

Jonas Straumann: Ich erblickte am 2. September 1994 die Welt in Grenchen mit einem hochgradigen Hörverlust, nahe an der Taubheit grenzend. Aufgewachsen in einer hörenden Welt hatte ich oft Schwierigkeiten, die Barrieren und auch die Probleme zu meistern. Während meiner Kindheit musste ich die Hürden sämtlicher schulischer und familiärer Probleme überwinden, was mich heute als Einzelgänger prägt. Mit der Welt hatte ich nie viel zu tun, erst recht nicht mit der Gehörlosenkultur. Doch das änderte sich dann schnell!

 

Da ich sehr viel allein unterwegs bin und mich auch alleine in meiner Freizeit beschäftige, lernte ich die Vorzüge der Musik, Medien & Gestaltung kennen. Bereits in meinem Kindesalter spielte ich Schlagzeug und fing später mit der Gitarre an. Als ich mich 2013 erstmals in Webdesign & Medien vertiefte, nebst meiner Lehre zum Kaufmann, hat der Spaß für mich erst richtig angefangen. Wie ein Besessener beschäftige ich mich rund um die Uhr mit den verschiedensten Programmiermöglichkeiten im Web und Gestaltungsprogrammen auf meinem Apple OS X. Nach ca. 6 Monaten intensivem Lernens von Medien/Webdesign habe ich am 2. September 2013, an meinem 19. Geburtstag, hearZONE erstmals offiziell ins Netz gestellt.

 

Woher die Idee zum Internetportal?

Als ich mich im Sommer 2013 erstmals intensiv mit der Gehörlosenkultur befasste, entdeckte ich klassische Portale für Hörbehinderte. Einige davon waren kostenpflichtig und ich wunderte mich darüber, warum gerade in einer Branche, wo sich Hörbehinderte aufhalten, Geld verlangt wird. Eine Community-Idee war schon immer da, um Hörbehinderte einfach miteinander zu vernetzen. Ich dachte, dass ich mit meinem Internetportal hearZONE so ein Soziales Netzwerk bieten kann.

 

Die Feedbacks auf hearZONE im ersten Monat waren ziemlich beleidigend und schwer zu akzeptieren. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten habe ich mit Konstantin Begesow gemeinsam an weiteren Ideen gearbeitet. Schließlich haben wir gemeinsam „hearNEWS“ gestartet. Wir tauschten über Facebook Ideen & Informationen aus, behielten diese im Hinterkopf und suchten nach passenden Umsetzungsmöglichkeiten. So wurde im Dezember 2013 hearZONE mit neuem Design aufgesetzt.

Im Januar 2014 publizierte ich aus Spaß das erste Magazin und sah, dass hier noch viel mehr Potenzial steckt. Im Februar 2014 wurden hearZONE & hearNEWS auf einer Plattform zusammenfügt. Es war ein großer Schritt aber verschaffte uns größtmögliche Aufmerksamkeit in der Branche. Seither haben wir ein fixes Konzept mit festgelegten Angeboten und schlagen uns stetig besser mit unserer Marktidee durch.

 

Wieso der Name hearZONE?

 „ears“ – „earZONE“ – „ear“ – „hearIT“ – „deafZONE“ – Das waren die ersten, Ideen aber, leider waren diese Namen bereits vergeben. Ich brauchte etwas spezielles, interessantes, neues, Innovatives. Als ich mit blauroten Farben am Namen „earZONE“ rumgestaltet habe, kam mir der Gedanke, ein „h“ vorne anzuschließen. „hear“ – Wie „hören“ auf Deutsch. Hören betrifft alle Hörbehinderten aber auch Hörende! Dieser Name ist weltweit einzigartig und existiert auf keiner Facebook-Seite, Twitter-Konto, YouTube-Kanal oder ähnlichem.

Die Farbwahl orange-grau ist dadurch entstanden, dass die meisten Akustiker-, Hörgerätefirmen & Dienstleistungsunternehmen in der Branche eher warme Farben anbieten. So entschied ich mich für den Mittelwert der warmen Farben und das war Orange. Im Dezember verschaffte ich dem Namen ein Kürzel „hZ“, das gleich auch unser Logo wurde.

 

Mir war aber bewusst, dass der Name für heftige Kritik sorgt und ich kämpfen muss, um ein Begriff in der Gehörlosenkultur zu werden. Aber diese Herausforderung nahm ich an und fing mit der Logogestaltung an. Das erste Logo von hearZONE ähnelte sehr dem alten Untertitelsymbol im Fernsehen, nur spiegelverkehrt, was ein peinliches Versehen war. Der Slogan hieß „Das Portal für Hörgeschädigte & Gehörlose“. Ich wusste damals nicht, dass „Hörgeschädigte“ ein Überbegriff ist. Aber ich lernte mit der Zeit so Einiges dazu! Gegen die Kritiken habe ich mich nie besonders gewehrt, aber auch nicht unterkriegen lassen.

 

Welche Ziele verfolgen Sie mit hearZONE, was wollen Sie unbedingt erreichen?

Durch die  schnelle Entwicklung und den Zuwachs im Team, habe ich inzwischen höhere Ziele im Hinterkopf. Erstens möchte ich Hörbehinderte im deutschsprachigen Raum miteinander auf einer Plattform vernetzen, zweitens alle Informationen aus der Gehörlosenkultur sammeln und für alle frei zugänglich machen. Und zuletzt verfolge ich die Vision, ein barrierefreies Social TV, also einen interaktiven Fernsehsender für alle Hörbehinderten aufzubauen. Dies ist ein hohes Ziel, welches ich mit Leidenschaft umsetzen will.

 

Die Hörbehinderten können auf hearZONE zählen. Wir haben für die Zukunft noch jede Menge Ideen, die wir umsetzen wollen. Leider fehlen uns noch die finanziellen Mitteln und genau daran arbeiten wir jetzt. Wir wollen, potenzielle Sponsoren auftreiben, die unsere Ideen für hearZONE bestmöglich unterstützen.

 

Das Portal bezeichnet sich als interaktives Portal. Was macht die Interaktivität aus? Ist eine Mitgliedschaft mit Kosten verbunden?

Für die Interaktion und Nutzung sämtlicher Dienste auf hearZONE fallen für den Nutzer keine Kosten an und so soll es auch zukünftig bleiben.

Unsere Nutzer können auf hearZONE ein Profil erstellen, indem sie sich einmalig registrieren. Mit dem Profil können die Nutzer interagieren. Sie können also Inhalte teilen, Fotos hochladen, Gruppen gründen, kommentieren, diskutieren, Themen eröffnen, Ankündigungen starten, mit Freunden schreiben, Filterlisten erstellen und noch sehr viel mehr dazu. Wer Facebook & Twitter kennt, wird hearZONE lieben, denn hZ ist nichts anderes als eine Kombination von beiden.

 

Doch nicht nur die Community ist ein Teil der Interaktivität. LIVE-Benachrichtigungen sind konfiguriert und Nutzer können ihre Kommentare oder Leserbriefe direkt in das Magazin bringen. Das heißt, ein Nutzer schreibt einen Beitrag und dieser könnte womöglich dann im nächsten Magazin als Sprechblase dargestellt sein. So können unsere Nutzer ihre Meinungen und Ansichten zu den verschiedensten Themen geben.

 

Zurzeit haben wir über 300 registrierte Nutzer und 50 davon sind wöchentlich aktiv. Es wäre, natürlich schön, wenn sich noch mehr Menschen beteiligen würden, denn genau diese registrierten Hörbehinderten bewegen das Magazin.

 

hearZONE hat auf Facebook über 1000 Likes, der Trailer auf Youtube hatte nach kurzer Zeit, ohne Werbung, über 800 Likes. Das ist doch eine schöne Bestätigung, oder?

Das ist es! Ich freue ich mich sehr darüber! Natürlich wünsche ich mir noch auf weitere Likes und Besucher, die von unserer Arbeit profitieren.

Ich achte auch besonders darauf, dass unsere Mediendarstellungen für alle Hörbehinderten barrierefrei zugänglich sind und auch den neuen Medien- und Gestaltungstechniken entsprechen.

Es kostet allerdings seine Zeit. Alleine an dem Trailervideo von hearZONE arbeitete ich 6 – 8 Stunden am Computer bis jedes Detail der Animation und Textpassagen gestimmt hat. Noch am selben Abend, stellte ich das Video auf den YouTube-Kanal von hearZONE und die Reaktionen waren erstaunlich, nach fast 2 Stunden war es bereits über 100-mal aufgerufen worden!

 

Wie viele Leser hat Ihr Magazin? Und wer sind die Leser?

Ganz am Anfang schwankten die Besucherzahlen zwischen 600 bis 800 pro Monat Im März platzierten wir die Gewinnerin des Next Deaf Model von Steve Stymest auf die Titelseite des Magazins und ab da stiegen die Quoten! Im April hatten wir 10.000 Besucher und im Mai über 12.000!

 

Bekommen Sie auch Feedback?

Die Feedbacks kann ich aus den Kommentaren ablesen. Obwohl immer noch mehr negative Kritiken auftauchen, spricht sich das Konzept hearZONE ziemlich schnell rum. Ich bin mir sicher, dass es noch viele Interessenten gibt, die wollen, dass hearZONE weiter wächst.

 

Sie kommen aus der Schweiz. Wie reagieren die dortigen Schwerhörigen und  Gehörlosen auf Ihre Dienstleistung?

Die Schweiz ist entsprechend kleiner als Deutschland. Dies führt auch dazu, dass es weniger Interessierten in der Schweiz gibt. Da in der Schweiz die Hörbehinderten eher gemischt in der Gesellschaft leben, ist die Aufmerksamkeit hier wesentlich geringer. Dennoch bin ich auf dem Weg, auch schweizer Organisationen auf hearZONE aufmerksam zu machen.

 

Und wie sind die Reaktionen aus Deutschland?

Knapp 80% aller Besucher auf hearZONE sind aus Deutschland, der Rest aus der Schweiz oder Österreich. Die vielen Anfragen und positive Reaktionen in der Facebook-Gruppe „Infoportal – Gehörlose & Schwerhörige“ mit über 1900 Mitgliedern ist für mich und das Team auch ein großes Feedback. Ich möchte mich der deutschen Gehörlosenkultur meinen großen Dank aussprechen, für die tolle Unterstützung und das Vertrauen!

 

In unserem Team bin ich der einzige Schweizer, sonst sind alle Deutsche. Über deren Engagement, Unterstützung, Leistung bin ich sehr zufrieden und dankbar. Besonders Konstantin Begesow, den ich heute quasi als Mitbegründer von hearZONE ansehe. Er hat den größten Teil in Deutschland bewirkt und die Verbindungen dort aufgebaut.

 

Das Magazin kam im Januar mit sieben Seiten online, die Juni-Ausgabe hatte bereits 80 Seiten. Die Leser bekommen also immer mehr Artikel zu lesen, aber für Sie und Ihr Team steckt immer mehr Arbeit dahinter…

Das Magazin entstand eigentlich als Zeitvertreib und aus Spaß. Die Reaktion im Januar war nicht besonders groß, es waren ja auch nur sieben Seiten! Aber als wir im März die Siegerin „Shirley“ vom Next Deaf Model auf der Titelseite publizierten, musste die Redaktionsarbeit dringend verschärft werden. Ich bin sozusagen der „Main-Writer“, der am meisten schreibt, und habe als Inhaber natürlich am meisten zu tun. Ich leite das ganze Webdevelopment, Design, Gestaltung, Marketing. Die Funktionen der Teammitglieder sind nach Rubriken geordnet, jedes Teammitglied hat seine Abteilung.

 

Wie groß ist Ihr Team und wie können wir uns die Redaktionsarbeit vorstellen?

Das Team besteht aus sieben hörbehinderten Kollegen. Sie haben individuelle Tätigkeitsbereiche, Kevin Kalz ist Sportreporter, Christine Tschuschner, unsere neue Sozialreporterin. Alle dürfen frei nach belieben ihre Beiträge selbst schreiben. Die Autoren haben so die Möglichkeit ihre Werke nach meiner oder nach Konstantin Begesows Erlaubniserteilung zu publizieren. Hier lernt jeder dazu, was gut oder was schlecht ist, welche Themen aktuell sind oder wie eine Redaktion funktioniert. Das ist auch mein Grundziel, Hörbehinderten die Chance zu bieten, sich selbst zu entfalten und ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Genau das können sie auf hearZONE ausleben.

 

Das Team kommuniziert über den Facebook-Chat miteinander. Die Teammitglieder haben mich persönlich nie getroffen, nur per Chat. Ich würde sie aber mal gern treffen, um für ihre tolle Mitarbeit lautstark „DANKE“ zu sagen!

 

Haben sich inzwischen schon potenzielle Sponsoren bei Ihnen gemeldet?

Sponsoren haben wir keine. Es haben sich einige Firmen gemeldet, die gerne zuerst mehr über hearZONE erfahren wollen.

Obwohl wir erfolgreich sind, verdienen meine Kollegen und ich keinen Cent. Alles funktioniert ehrenamtlich. Die Ausgaben, sprich Server- und Hostingkosten, trage ich als Inhaber und diese werden durch meine privaten Einnahmen abgedeckt. Im Laufe der Zeit steigen die Kosten für hearZONE. Deswegen würde ich mich über zukünftige Sponsoren sehr freuen, da die Weiterentwicklung natürlich von längerfristigen Sponsoren abhängig ist. Noch diesen Herbst steht eine Kampagne an, bei der interessierte Sponsoren mitfinanzieren können.

 

Zurzeit büffeln Sie für Ihre Abschlussprüfung als Kaufmann. Wie geht es dann weiter? Arbeit suchen, studieren oder …?

Die Abschlussprüfungen sind bereits abgeschlossen und ich habe Ende Juli 2014 ausgelernt. Der Beruf Kaufmann  ist eine gute Grundlage in der Wirtschaft, aber es wird nicht mein zukünftiger Beruf sein, Ich will meine Leidenschaften und Fähigkeiten in einem anderen Sektor entfalten. Und das ist gerade für die hZ-Fans eine ganz tolle Nachricht! Ab August gibt es das Konzept „hearZONE – Studios“, mit dem Slogan „Medienagentur mit Inklusion!“ Ich biete hier hochwertige Dienstleistungen wie Webdesign, Grafikdesign, Corporate Design, Printdesign & Mediendesign zu optimalen Preisen im deutschsprachigen Raum an.

Es ist aber nicht alles! Es kommen noch weitere Leistungen wie Untertitelung von Videoclips hinzu, Einbindung von barrierefreien Funktionen im Web. Interessierte für Medien mit Inklusion können es in der Facebook-Gruppe „Medienportal – Medien mit Inklusion“ mitverfolgen.

 

Bleibt eigentlich neben Schreiben, Programmieren und Lernen auch noch Zeit für Hobbys?

Meine Hobbys sind Schreiben, Programmieren, Schlagzeug & Gitarre spielen, musizieren & komponieren, Filme gucken und auch noch was ganz Merkwürdiges. Stundenlang mit der Bahn in der Schweiz zu reisen ohne dabei die Städte groß zu besichtigen!

Wenn ich reise, fühle ich mich frei. Frei vom Stress und Alltag. Beim Reisen arbeite ich auch für hearZONE und schreibe Beiträge.

Meine paar Freunde sind in der ganzen Schweiz verteilt. Diese haben natürlich auch nicht immer Zeit für mich. Ich treffe sie vielleicht ein einziges Mal im Semester und dann ist wieder Funkstille. Das macht mir natürlich zu schaffen!

Deswegen begeistert mich die deutsche Gehörlosenkultur immer mehr und mehr, sodass ihr alle mich bald dazu zwingt, mich zu den deutschen Hörbehinderten zu gesellen! Ihr seid fantastisch!

 

Was wünschen Sie von Ihren Lesern und Portalbesuchern?

Ich wünsche mir, dass mehr Leser sich registrieren und die Möglichkeiten von hearZONE  nutzen. Nur so können wir die größte Online-Community unter Hörbehinderten erschaffen. Das Team und ich brauchen eure Unterstützung! Gebt uns eure Meinung, kommentiert, und lasst die Diskussionen auf hearZONE krachen! Wenn wir uns im deutschsprachigen Raum durchgesetzt haben und europaweit zur größten Online-Community werden, dann können wir uns auch der Welt zeigen! Mit besten Grüßen von mir und dem gesamten Redaktionsteam!

 

Vielen Dank für das Interview!

Text: Judit Nothdurft

Bild: hearZONE.net © Jonas Straumann

 

 
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