preload preload preload
Seit 2010 für
Inklusion und Barrierefreiheit
logobanner
JNC Deafservice
Bayern barriererfrei

  Experteninterviews
 2024
 2023
 2022
 2021
 2020
 2019
 2018
 2017
 2016
 2015
 2014
 2013
 2012
 2011
 2010

 

 

Experten-Interview Oktober 2014



Es ist doch normal, verschieden zu sein?!

 

Mitte September wurde die 41-jährige Irmgard Badura wieder zur Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung ernannt.

 

Frau Badura, bereits seit 2009 waren Sie ehrenamtlich in dieser Funktion tätig. Warum mussten Sie jetzt fast ein Jahr auf die Wiederernennung warten?

Irmgard Badura: Das Bewerbungsverfahren dauerte länger als gedacht. Deshalb hat mich Frau Staatsministerin Müller gebeten, geschäftsführend das Amt weiter zu führen. Eigentlich sollte es dann am 1.1.2014 schon richtig losgehen für mich. Dann kam eine Konkurrentenklage, die das Verfahren verlängert hat.

 

Neu ist, dass Sie das Amt erstmals hauptamtlich ausführen. Was ändert sich dadurch für Sie? Haben Sie mehr Macht, Einfluss …

Vor allem habe ich mehr Zeit und Kraft. Ob sich das dann direkt umsetzen lässt in mehr Bewegung beim Thema Inklusion – das wird sich herausstellen müssen. Ich habe jedenfalls viel vor!

 

In wieweit haben Sie Einfluss bei Gesetzentwürfen, die das Thema Behindertenpolitik betreffen?

Mir werden diese Vorhaben und Gesetze zur Stellungnahme vorgelegt. Meine Vorschläge oder weitergehenden Forderungen werden in den Ministerien gehört und oftmals direkt weitergegeben an die zuständigen Staatsministerinnen und -minister. Es gibt dann auch das ein oder andere kurzfristige Telefonat oder persönliche Gespräch.

 

Wo sehen Sie die aktuellen Herausforderungen und besonderen Handlungsbedarfe in der Behindertenpolitik?

Die großen Themen lauten nach wie vor Bildung, Arbeit und Barrierefreiheit. Konkret meine ich damit: Wir müssen Dranbleiben an mehr selbstverständlichem, gemeinsamem Unterricht, aber auch an passenden individuellen Lernbedingungen. Im Arbeitsleben muss unbürokratisch und ausreichend Assistenz oder Dolmetschen möglich werden. Barrierefreiheit brauchen wir vor allem im Umgang miteinander – es ist doch normal, verschieden zu sein?!

 

Für unsere gehörlosen Leser ist die barrierefreie Kommunikation enorm wichtig, sei es die Übernahme der Dolmetscherkosten oder die Einführung eines kostenlosen Notrufs. Welche Unterstützung können diese Menschen von Ihnen erwarten? Was ist Ihre Botschaft an sie?

Ich möchte die Politik davon überzeugen, dass es auch für den privaten oder ehrenamtlichen Bereich eine Finanzierung von Dolmetscherkosten braucht. Ein Schritt, den wir gemeinsam geschafft haben, ist die Dolmetscher-Ausbildung an der Hochschule in Landshut. Am Notrufsystem und bei der Einführung des Merkzeichens TBL (= taubblind) für die völlig unterversorgte Gruppe der taubblinden Menschen müssen wir weiter arbeiten.

 

Die UN -Behindertenrechtskonvention ist am 26.03.2009 in Deutschland in Kraft getreten, aber die praktische Umsetzung lässt noch auf sich warten. Laut Ministerpräsident Seehofer soll Bayern 2023 barrierefrei sein. Halten Sie diesen Termin für realistisch durchsetzbar?

Das Ziel finde ich gut. Die Erreichbarkeit sehe ich aber als schwierig an, vor allem, weil nach wie vor zu viele Menschen denken, dass Rampen und Aufzüge ausreichend sind. Barrierefreiheit heißt einfach mehr! Es gäbe überall unendlich viel zu tun. Wichtig ist mir, dass wir tatsächlich Schritt für Schritt vorankommen und zwar gemeinsam in den Gemeinden und Städten und damit in ganz Bayern.

 

Sie sind durch eine fortschreitende Netzhauterkrankung fast blind. Welche Hindernisse erleben Sie im Alltag?

Mich behindern die Dinge, die eben für mich nicht barrierefrei sind: Straßen, Gebäude und Verkehrsmittel, die zu wenige farbliche Kontraste oder Leitsysteme haben, Ampeln und Elektro-Autos, die keine Geräusche von sich geben. Manchmal auch Menschen, die meinen Blinden-Langstock übersehen oder als Gehstock einstufen. Weiter kann ich viele Dinge nicht alleine genießen, wie z.B. Bummeln durch eine fremde Stadt, den Blick über die Leckereien in einer Auslage schweifen lassen oder einfach spontan ins Schwimmbad und in die Sauna gehen. Das fehlt mir manchmal! Zu zweit machen viele Dinge aber mehr Spaß. Im Alltag an sich behindert mich Schnee, wenn er in großen Haufen die Gehwege versperrt. Als Hindernis erlebe ich sehr oft in den Städten, wenn U- oder Trambahnfahrer keine deutlich gesprochenen Durchsagen der Haltestellen machen. Diese Liste ließe sich noch beliebig ausbauen …    

 

Was dürfen unsere Leser noch über Sie wissen?

Ich lerne sehr gerne Einstellungen oder Lebensgeschichten anderer Menschen um mich herum oder in anderen Ländern kennen. Deshalb gehe ich auch sehr gerne auf kleine und größere Reisen, gemeinsam mit meinem Mann und nur mit einem Rucksack auf dem Rücken. Ich mag gutes, oft selbstgekochtes Essen und wohne zu viert in einer Wohngemeinschaft in Nürnberg.

 

Vielen Dank für das Interview!

Text: Judit Nothdurft

Bild: Judit Nothdurft

 

 
Anzeige
Telesign

Anzeige
Humantechnik

Anzeige
Tess Relay Dienste

Anzeige
Judit Nothdurft Consulting


 
Impressum etc.