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Experten-Interview April 2018



Diversity Ball – barrierefreie gelebte Vielfalt in Wien

 

Am 5. Mai findet der Diversity Ball 2018 in Wien statt, mit dabei auch viele schwerhörige und gehörlose Gäste und Akteure. Mitten in den Vorbereitungen habe ich Monika Haider, Ballmutter und Geschäftsführerin von „equalizent“, interviewt.

 

Frau Haider, welche Botschaft versteckt sich hinter dem diesjährigen Ballmotto „Your Time is now“?

Monika Haider: Eine Diversitydimension ist ja das Alter. Darauf liegt unser diesjähriger Schwerpunkt. Mit unserem Motto wollen wir zeigen, dass es eigentlich egal ist, ob man jung oder alt ist. So wie man JETZT ist, ist es gut, und eine alte Frau hat genauso das Recht auf ein flippiges Kleid zu tragen wie eine junge. Es gibt kein „gutes“ und „weniger gutes“ Alter. Freuen wir uns über das, was wir jetzt sind und lasst uns das feiern.

 

Sie organisieren seit elf Jahren mit ihrem Team von equalizent den Ball. Wie ist die Idee damals für den Ball entstanden?

Jeder Ball in Wien bedient eine gewisse gesellschaftliche Gruppe. Der Regenbogenball richtet sich an die LGBTIQ-Community (=Lesbisch, Schwul, Bi, Trans, Inter, Queer), der Kaffeesiederball an die Kaffeehausbesitzer, beim Polizeiball ist das Zielpublikum wieder ein anders.

Mit dem Diversity Ball wollen wir aus diesen Schubladen raus. Wir wollen zeigen, wie schön es ist, dass unsere Gesellschaft so bunt und vielfältig ist. Hier haben jene eine Bühne und einen Platz zum Feiern, die normalerweise gern vergessen werden, z.B. Menschen mit Behinderungen, Migranten, Lesben und Schwule. Das Wunderbare an diesem Ball ist, dass alle GEMEINSAM feiern und dass es hier zu einer Vermischung kommt, die im Alltag oft nicht passiert. Das ist unglaublich stärkend und bereichernd.

 

Inwieweit hat sich der Ball in der österreichischen Gesellschaft etabliert?

Der Ball wächst von Jahr zu Jahr. Letztes Jahr kamen über 2.000 Besucher. Davon hätten wir vor Jahren nur träumen können. Auch die Medien sind auf uns aufmerksam geworden und berichten gerne über diesen Ball, der so ganz anders ist, als andere.

 

Können wir heute in Österreich wirklich über gelebte Vielfalt und Inklusion reden?

Wir setzen auch ein politisches Signal mit dem Ball. Tatsächlich läuft es politisch ja gerade in die entgegen gesetzte Richtung: Die Rechte vieler Menschengruppen werden untergraben, Gelder gekürzt, die Vielfalt als gefährliches Problem dargestellt, Inklusion als Wunschdenken von Gutmenschen verunglimpft.

Aber gerade darum müssen wir ein deutliches, sichtbares Zeichen setzen! Zeigen, dass es auch anders geht, und dass es Menschen gibt, die Vielfalt als Realität sehen, mit der man sich in einer konstruktiven Art auseinandersetzen muss. Und, ja, auch als etwas, woran man sich erfreuen kann!

 

Wer und wie „bunt“ sind die Gäste des Diversity Balls?

Zu uns kommen so unterschiedliche Menschen! Das ist einfach fantastisch! Menschen mit verschiedenen Formen von Behinderung, Menschen die sich als schwul, lesbisch, intersexuell, queer oder was auch immer bezeichnen feiern am Diversity Ball. Migranten aus den unterschiedlichsten Ländern zählen zu unseren Besuchern. Schräge Vögel, unangepasste Querdenker, offenherzige Menschen mit Gerechtigkeitssinn und dem Wunsch Brücken zu schlagen und Grenzen zu durchbrechen.

Auch unser Programm spiegelt diese Buntheit wider. Da gibt es Gebärdensprachpoesie, Tanzgruppen mit Menschen mit Downsyndrom, eine Drag Queen als DJane, eine Modeschau mit Menschen mit Behinderung, um nur ein paar Beispiele aus den letzten Jahren zu nennen.

 

Was waren die Ball Highlights der letzten Jahre?

Es gab schon viele Highlights, schwer eines herauszugreifen. Unsere Gäste sind immer ein Highlight, wie Conchita Wurst, Russkaja, Deladap, Politiker, wie Wirtschafts- und Sozialminister, Menschen aus Flüchtlingsunterkünften oder aus den Klienten der 122 Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, damit die Vielfalt am Ball auch gelebt und vertreten ist.

Jedenfalls ist es immer besonders schön, wenn sich „Bandlpaare“ treffen. Das sind Personen, die auf ihren Eintrittsband die gleiche Nummer gedruckt haben.

Auf jedem Band steht eine Nummer und die gibt es ein zweites Mal. Damit möchten wir Menschen den Kontakt zueinander erleichtern. Es fällt leichter den anderen Unbekannten nach seiner Bandlnummer zu fragen und schon ist ein erster Kontakt hergestellt!. ES geht uns um das Miteinander in der Gesellschaft, das soll auch am Ball gelebt werden!

 

Gab es auch mal brenzliche Situationen, wo Sie als Ballmutter eingreifen mussten?

Die Stimmung am Ballabend war bisher immer bewegend, wohlwollend, unterstützend, offen, an das große Ganze Miteinander in der Gesellschaft glaubend. So habe ich also zwischen den Menschen keine brenzlige Situation erlebt.

Brenzlich sind für uns die Rahmenbedingungen. Es ist schwer einen Ort zu finden, wo so eine große Veranstaltung barrierefrei durchzuführen ist. Wir haben daher einen alt zugelassenen Ort – Wiener Kursalon – gefunden. Dieser hat noch keine Zugangsbestimmung bzw. Beschränkung für MmB (=Menschen mit Behinderung). Würde dieser Ort umgebaut werden, trifft die neue Veranstaltungsgesetzordnung zu, die besagt, dass in der Regel nicht mehr als 6 Rollstuhlfahrer pro Veranstaltung zugelassen sind. Bei uns sind in der Regel 80(!!!) Menschen im Rollstuhl zu Gast!

 

Im Wiener Kursalon wird auf mehreren Ebenen barrierefrei gefeiert …….

Der Kursalon bietet ein wunderschönes, elegantes Ambiente im Herzen von Wien. Zwei Säle werden laufend bespielt und laden zum Tanzen ein. In den anderen Räumlichkeiten wird es aber auch Programm geben. Das verraten wir aber noch nicht!

 

Am 5. Mai 2018 um 20 Uhr geht’s los in der Johannesgasse 33. Der Kursalon ist für Rollifahrer barrierefrei und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln ausgezeichnet zu erreichen.

 

Für Menschen mit Hörbehinderung gibt es eine Induktionsschleife sowie Dolmetscher für Österreichische Gebärdensprache (ÖGS). Communication Angels, die die Lautsprache und ÖGS beherrschen, ermöglichen die Kommunikation zwischen hörenden und gehörlosen Ballbesuchern. An der UnStillBar kann in ÖGS bestellt werden: Auf den Getränkekarten sind alle Gebärden dafür abgebildet.

Die Karten sind auch mit Brailleschrift versehen, sodass blinde Besucher sie lesen können. Für sie gibt es auch ein 3D_Modell der Räumlichkeiten, das sie ertasten können, um sich gut orientieren zu können. Blinde Besucher können sich zudem von der nahe gelegenen U-Bahnstation abholen lassen.

Menschen, die sich den Eintritt nicht leisten können, wie zum Beispiel Asylwerber, können vom Patenschaftspaket Gebrauch machen: Besucher mit mehr finanziellen Möglichkeiten zahlen ihnen die Eintrittskarten.

 

In den letzten Jahren traten als Showgäste unter anderem Conchita Wurst und die Finalisten von „Pro7 - Got To Dance“ auf. Welche Künstler sorgen dieses Jahr für gute Laune?

Ich möchte nicht zu viel verraten, es wird vom Kinderchor in Gebärdensprache bis zum Pensionisten-Boogie Woogie alles dabei sein. Musikalisch spannt sich der Bogen von den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts bis heute…..

Das Motto: „Your time is now“ spiegelt sich durchgehend im Programm, in den Kleidertipps und in den Outfits der Ballgäste.

 

Gibt es einen Dresscode oder ist so gut wie alles erlaubt?

Alles ist erlaubt, je ausgefallener, desto besser! Wir hatten wirklich schon alles dabei: Nackedeis mit Feigenblatt, männliche Kopftuchträger, diverse Nationaltrachten inklusive Dirndl und Steireranzug, Drag Queens. Aber ganz viele kommen auch in normaler Abendrobe.

 

Vielen Dank für das Interview und wünsche Ihnen eine rauschende Ballnacht!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Monika Haider

 
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