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Experten-Interview Juni 2019



Wissen kindergerecht – in Gebärdensprache

 

BiBi bietet alle zwei Wochen barrierefreie Videos unter dem Titel „WissenVisuell“ an, in Gebärdensprache, Lautsprache und mit Untertiteln.

 

Wer oder was versteckt sich hinter dem Namen BiBi?

Jürgen Endress: Der Name BiBi leitet sich ab vom Begriff „bimodal-bilingual“ und spielt auf das Konzept der bimodalen Zweisprachigkeit an. Also die Zweisprachigkeit in einer Gebärden- und einer Lautsprache. BiBi ist zunächst als Verlag und Projekt aus dem Unternehmen GebärdenVerstehen hervorgegangen. Inzwischen haben wir eine gemeinnützige GmbH gegründet, die BiBi gGmbH, mit der das Ziel von BiBi weiterverfolgt werden soll: Tauben und schwerhörigen Menschen Bildung leichter zugänglich machen. Unser Video-Projekt „WissenVisuell“ beziehungsweise „WiVi“ ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Außerdem haben wir schon Lernspielmaterial für Kinder wie Memories oder Malbücher entwickelt. In der Zukunft werden viele weitere Projekte folgen.

 

Wie ist dieses Projekt entstanden?

Die Idee geht auf Jana Schwager zurück, der Geschäftsführerin von GebärdenVerstehen. Als ich vor einem Jahr meinen ersten Arbeitstag bei GebärdenVerstehen hatte, hat sie mir gleich erzählt, dass sie sich schon lange wünscht, ein barrierefreies Wissensportal für Eltern und Kinder zu schaffen. Im Raum stand zu diesem Zeitpunkt nur, dass es informative Videos nach dem Motto „Schon gewusst?“ geben soll. Monate später habe ich dann ein Team zusammengetrommelt. Gemeinsam haben wir das Projekt diskutiert und umgesetzt. So kam auch der Name „WissenVisuell“ zustande.

 

Welches Ziel verfolgen Sie mit den produzierten Videos? Wer ist Ihre Zielgruppe?

Hauptsächlich möchten wir tauben und schwerhörigen Menschen den Zugang zur Bildung leichter machen. Wir finden, dass unser Bildungssystem noch nicht genügend auf sie ausgerichtet ist.

Durch unsere Arbeit mit Familien beim GebärdenVerstehen sehen wir, wie wichtig Barrierefreiheit gerade für Familien mit hörenden und tauben Angehörigen ist! Beispielsweise ist die Deutsche Schrift- und Lautsprache für taube Kinder eine Fremdsprache mit eigener Grammatik, die sie erst lernen müssen. In den ersten Jahren können sie die Gebärdensprache leichter aufnehmen und unserer Erfahrung nach gut damit kommunizieren.

 

Leider ist es für sie aber oft nicht möglich, sich Wissen einfach anzulesen. Und es gibt es kaum Angebote in Gebärdensprache, die Wissen kindergerecht vermitteln oder den Eltern beibringen, wie sie Wissen vermitteln können. Genau hier setzen wir mit den Clips von „WissenVisuell“ an.

 

Unsere Zielgruppe sind also Eltern und Kinder, taub, schwerhörig oder hörend. Nach ersten Auswertungen haben wir allerdings festgestellt, dass unsere Videos auch für Lehrer und Lehrerinnen interessant sind. Aber auch Erwachsene schauen sie gern, weil sie gerade Gebärdensprache lernen oder auch taube Erwachsenen, die sich informieren wollen.

 

Nach welchen Kriterien werden die Themen für die Filme ausgesucht?

Einerseits möchten wir aktuell zu sein, deshalb haben wir kürzlich ein Video zum Thema Plastikvermeidung gemacht. Anderseits möchten wir auch „klassische“ Themen ansprechen, die ebenfalls erklärungsbedürftig sind, wie Weihnachten oder Karneval.

Uns ist es generell wichtig, dass die Themen relevant sind und Wissen vermitteln, das man im Leben braucht, aber sich als taubes oder schwerhöriges Kind nicht so einfach aneignen kann. Da immer auch die Eltern einbezogen werden, produzieren wir speziell für sie Videos mit pädagogischen Inhalten.

 

Welche Themen möchten Sie auf jeden Fall noch ansprechen und für welchen Zeitraum ist das Projekt ausgelegt?

Wir werden auch in Zukunft alle zwei Wochen barrierefreie Videos veröffentlichen, in Gebärdensprache, Lautsprache und mit Untertiteln. Es gibt immer im Wechsel Videos mit spannenden Wissensinhalten für Kinder und Videos für Eltern mit pädagogischen Inhalten. Bisher haben wir acht Videos produziert, aber mindestens noch doppelt so viele Themen haben wir auf Lager, über die wir informieren möchten. Das Projekt ist also langfristig angelegt.

 

Wie entstehen die BiBi Videos?

Das WissenVisuell-Team besteht derzeit insgesamt aus 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Jana Schwager ist die Leiterin des Projekts, ich bin Projektassistent und Videoproduktionsleiter und Annika Meyer, auch Mitarbeiterin bei GebärdenVerstehen, die Organisatorin. Sie kümmert sich hauptsächlich um Themen und Texte.

Wir treffen uns alle zwei Monate zu Team-Meetings und besprechen erstmal die Themenauswahl, die Aufgabenverteilungen und die Auswertungen. Hier wird auch festgelegt, wer Darsteller für das nächste Video wird. Das Team entscheidet, was der Text enthalten soll, den wir auch für die Untertitelung benutzen und wer den Text sprechen wird.

In allen unseren Filmproduktionen vermitteln Wissens in drei Formen, in Gebärdensprache, in Lautsprache und mit Untertitelung.

Im nächsten Schritt folgen die Dreharbeiten in unserem eigenen Aufnahmestudio in Heidelberg. Die können manchmal auch sehr aufwändig werden. Für Karneval haben wir unsere Darstellerin zum Beispiel als Clown verkleidet und geschminkt.

Nach den Dreharbeiten wird das Video geschnitten, dann folgen Untertitel und Tonaufnahmen. Bis ein Video fertig ist, dauert es circa vier Wochen. Meistens produzieren wir verschiedene Videos parallel. Brandheiß zum Thema: Anfang Juni gibt es ein Making-Of, in dem wir zeigen, wie die Filmproduktion abläuft.

 

Sie sind selbst ein erfolgreicher Poesie-Künstler und Filmemacher. Können Sie Ihre Erfahrungen in dieses Projekt einfließen lassen?

Aber sicher! Ich habe inzwischen 20 Jahre Erfahrung damit, auf Bühnen oder vor Kameras zu stehen und selbst Filme zu produzieren. Das heißt, ich kann den Darstellerinnen und Darstellern in diesem Fall viel beibringen und gebe gerne Tipps weiter. Zum Beispiel dazu, wie man sich vor der Kamera souverän verhalten oder wie man bildhaft gebärden kann. Die Videoproduktion übernehme ich komplett selbst, das heißt ich organisiere, drehe, schneide. Auch das kommt dem Projekt zugute.

 

Wo werden die BiBi Filme veröffentlicht? Wie sind die Reaktionen?

Die Videos werden auf dem YouTube-Kanal (https://www.youtube.com/channel/UC16ppEsyKgJOUn00lFGqXeg) und auf Facebook-Seite von BiBi (https://www.facebook.com/bibifueralle) veröffentlicht.

Die Reaktionen sind sehr zahlreich und zum größten Teil positiv. Vor allem Schulen und Eltern haben sich erfreut zurückgemeldet und wünschen sich, dass wir weitere Videos produzieren. Wenn es negative Kritik gab, dann vor allem, weil die Webseite für BiBi noch im Aufbau ist. Das hat zeitliche und personelle Gründe und wir bedauern das natürlich, können aber auch versprechen, dass es bald eine Website geben wird.

Über Kritik freuen wir uns übrigens immer! Nur so können wir unsere Videos optimal entwickeln.

 

Wie wird das Projekt finanziert?

Zurzeit organisieren wir das Projekt ehrenamtlich und werden von GebärdenVerstehen unterstützt, die die Infrastruktur wie beispielsweise das Filmstudio sowie finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Wir sind im Zuge der Gründung der BiBi gGmbH aber inzwischen dabei, Fördermittel für das Projekt zu organisieren.

Über Förderer, Sponsoren, Spender und Menschen, die uns sonst unterstützen wollen, freuen wir uns daher sehr!

 

Vielen Dank für das Interview und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Jürgen Endress

 

 
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