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Experten-Interview April 2011



Das College „City Lit“ lädt die Gehörlosen nach London zum Deaf Day Event ein!

 

 

Am 16.04.11 ist es soweit. Das diesjährige Deaf Day Event in London öffnet seine Tore. Mitten in den Vorbereitungen habe ich Organisatoren, Dr. Marian Grimes, Marco Macchitella, Mark Hopkinson und Dr. Sabine Pitcher interviewt.

 

Judit Nothdurft: Im College City Lit sind die Vorbereitungen für den Deaf Day in vollem Gange. Was erwartet die Besucher auf diesem Event?

Marco Macchitella, Dr. Marian Grimes, Dr. Sabine Pitcher, Mark Hopkinson:

Deaf Day ist die größte Veranstaltung ihrer Art in England: Sie richtet sich nicht nur an Gehörlose, sondern an alle, also auch an Hörende, die sich für das Thema “Gehörlosigkeit” interessieren. Diesmal werden ca. 60 verschiedene Aussteller vertreten sein, darunter viele Dienstleistungsanbieter für Gehörlose. Neben den vielfältigen Informationen, und Produktvorführungen erwarten auch  Workshops die Besucher. Der Eintritt ist für Besucher frei und alle Veranstaltungen sind so konzipiert, dass sie sowohl für Hörende wie auch für Gehörlose zugänglich sind

 

Wie viele Hörgeschädigte / Gehörlose leben in England?

Nach Schätzungen des RNID (The Royal National Institute for Deaf People) gibt es etwa 8,9 Millionen Hörgeschädigte (dies entspricht 15% der Gesamtbevölkerung) in England. 688.000 Personen gelten als hochgradig hörgeschädigt grenzend an Taubheit (RNID, 2011).

 

Seit wann finden Deaf Days statt und wie viele Besucher werden jährlich erwartet?

Deaf Day findet in diesem Jahr zum 16. Mal statt. Da Besucher weder zahlen noch sich anmelden müssen, ist die genaue Zahl schwer abzuschätzen. Wir gehen jedoch von etwa 3.000 (hörenden sowie gehörlosen) Besuchern aus.

 

Was könnte diesmal der größte Publikummagnet werden?

Wie in den Vorjahren wird der Mix an Ausstellern für jeden etwas bieten. Neben Ausstellern, die jedes Jahr vertreten sind, werden unsere Besucher auch diesmal wieder Gelegenheit haben, an den zahlreichen und immer beliebten Workshops teilzunehmen. Interessante Vorträge gibt es z.B. von:

  • College City Lit, (die englische Volkshochschule, die auch für Gehörlose Kurse bietet)
  • Metropolitan Police (die zuständige Polizeibehörde für den Großraum London)
  • Cued Speech (eine Firma, die Gehörlosen hilft, die gesprochene Sprache zu verstehen und von den Lippen ab zu lesen (http://www.cuedspeech.org.uk)
  • Deafax (die Firma fördert die Integration von Gehörlosen in allen Bereichen des Lebens, durch Trainingsmaßnahmen, Forschung, Entwicklung und Öffentlichkeitsarbeit. (http://www.deafax.org)

 

Wie läuft die Kommunikation bei den Workshops ab, in Lautsprache, mit Dolmis oder nur British Sign Language? Welche Hilfsmittel werden für die Verständigung angeboten?

Parallel zum gesprochenen Wort stehen Gebärdensprachdolmetscher für British Sign Language, Lipspeaker (=Lippenleser) und Electronic Note-Taker (=Schriftdolmescher) zur Verfügung, um die Kommunikation und den Informationsaustausch zwischen Hörenden und Gehörlosen zu unterstützen.

 

Sind unter den Workshop-Anbietern auch Gehörlose aus dem Ausland?

Gegenwärtig noch nicht.

 

Der Eintritt ist für jeden kostenfrei, wie wird dann so ein Event mitten in London finanziert?

Es gibt keine staatliche Unterstützung! Wir können alle anfallenden Kosten aus den Standmieten der Aussteller und der Anzeigenwerbung in unserem Programmheft decken. Aber einen Gewinn erwirtschaften wir mit der Veranstaltung nicht.

 

Welchen Stellenwert hat Deaf Day in England? Berichten darüber auch die Medien, Presse, Fernsehen usw.?

Die Veranstaltung wird auf den Internetseiten der Aussteller beworben, die zum Teil auch Dienstleistungsanbieter sind. Es erscheinen Anzeigen in einschlägigen Publikationen für Gehörlose, und auch einige regionale Medien werden darüber berichten.

 

Können Sie für Besucher aus Deutschland Übernachtungsmöglichkeiten empfehlen? Gibt es ein auch gehörlose Ansprechpartner, die man bspw. über Skype mit Gebärden erreichen kann?

Auf der Suche nach geeigneten Übernachtungsmöglichkeiten können wir die Website von “Inclusive London” (http://www.inclusivelondon.com/DefaultIL.aspx) empfehlen. Bei entsprechender Nachfrage könnte man sicher eine online Kommunikationsplattform für interessierte Gehörlose aus Deutschland einrichten. Allerdings würde die visuelle Kommunikation von unserer Seite dann in British Sign Language erfolgen...

 

Ihr College City Lit ist zuständig für Erwachsenenbildung und hier studieren jährlich etwa 30.000 Menschen. Es werden auch Englisch-Kurse und British Sign Language Kurse für Gehörlose aus dem Ausland angeboten. Wie lange dauern diese Sprachkurse und welche Voraussetzungen muss man erfüllen?

Englisch-Kurse für Gehörlose haben in der Regel eine Mindestdauer von 12 Wochen und finden wöchentlich einmal statt. (Manche Kurse laufen das ganze Jahr hindurch.) Diese Kurse richten sich an Gehörlose, die bereits in London ansässig sind. In allen Fachbereichen können wir aber auch Kompaktkurse konzipieren, die den Inhalt intensiver und in kürzerer Zeit bearbeiten, z.B. im Fremdsprachenbereich bieten wir dies bereits routinemäßig an.

Wie bieten auch Kurse für Neuanfänger an, die noch keinerlei Vorkenntnisse haben. In allen übrigen Fällen führen unsere Lehrkräfte einen Aufnahmetest durch, um sicherzustellen, dass die Lernenden dem passenden Kursniveau zugeordnet werden. Eine formale Voraussetzung wie z.B. Schulabschluss gibt es nicht.

 

Wer sind die Dozenten?

Im Lehrerteam finden sich Gehörlose, Hörende und Hörgeschädigte gleichermaßen. Es gibt keine formale Voraussetzung, selbst gehörlos zu sein, um Gehörlose zu unterrichten. Allerdings muss jede Lehrkraft ein Mindestniveau an British Sign Language vorweisen und eine Lehrqualifikation besitzen.

 

Welche Themen werden im Sprachkurs gelehrt?

Je nach Eingangsniveau werden eine Reihe von Themen vermittelt sowie ein Grundverständnis von Grammatik, Syntax etc. der englischen Sprache. Themen können beispielsweise sein: Situationen des alltäglichen Lebens (bspw. Ausbildung, Straßenverkehr), Namen und nahestehende Personen, Angaben zur Herkunft und Anschrift. Das Alphabet wird unter Rückgriff auf Form, Bezeichnung und „Sign“ (Handzeichen) behandelt.

 

Wie sieht die Unterrichtsgestaltung aus? Welches Unterrichtsmaterial wird verwendet (Bücher, DVD mit Gebärden, DVD mit Wörterbuch)?

Die Unterrichtsgestaltung variiert je nach Niveau und Themenfeld. Kurse können 6 Stunden oder 60 Stunden und mehr umfassen. Die Klassen bestehen aus 6-20 Lernenden. Alle genannten Materialien kommen zum Einsatz. Darüber hinaus wird auch die moderne Kommunikationstechnologie angewendet. Alle unsere Klassenräume sind mit Computer- und Internetanschluss sowie Projektoren ausgestattet. Die meisten verfügen auch über „interaktive whiteboards“.

 

Nehmen wir an, dass Gehörlose aus Deutschland sich für einen Kurs anmelden möchten. Wie läuft es konkret ab? Wie hoch sind die Kosten für Unterricht und Unterkunft?

Wir haben gelegentlich auch Studierende aus dem Ausland, die extra für einen Kurs zu uns kommen. EU-Studierende schreiben sich für die Kurse ein, wie hiesige Studierende auch. Für sie gelten die gleichen Kursgebühren, die bei der Anmeldung gezahlt werden müssen. (Interessierte finden hierzu ausführliche Infos auf unserer Internetseite) Wir haben leider kein Studentenwohnheim; die Studierenden müssen sich selbst um eine Unterkunft kümmern. (Wir helfen jedoch gerne mit Empfehlungen aus, soweit wir können.)

 

London ist eine wunderschöne und spannende Stadt, aber die Lebenshaltungskosten sind sehr hoch. Wie viel Taschengeld sollte man für diesen Zeitraum einkalkulieren?

Das ist schwierig abzuschätzen und hängt auch davon ab, ob z.B. in der Unterkunft die Verpflegung mit enthalten ist. £200 für eine Woche sind sicher nicht zu niedrig angesetzt.

 

Ich bedanke mich bei Ihnen für das Interview und wünsche einen gelungenen Deaf Day!

 

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: City Lit

 

City Lit finden Sie unter: www.citylit.ac.uk         
Anfragen an:
deafedu@citylit.ac.uk

 

 
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