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Experten-Interview Juli 2020



Gehörlosenambulanz bietet barrierefreie Versorgung

 

Im Juni wurde im Klagenfurter Elisabethinen-Krankenhaus Kärntens erste Gehörlosenambulanz eröffnet. Die neue Ambulanz gilt als Vorreiter in der barrierefreien Versorgung und die behandelnde Ärztin der Abteilung für Innere Medizin Dr. Agnes Heinrici beherrscht die Gebärdensprache. Ein Traum für gehörlose Patienten!

 

Frau Dr. Heinrici, wie ist dieses Angebot entstanden?

Dr. Agnes Heinrici: Hier im Elisabethinen Krankenhaus in Klagenfurt war schon lange die Eröffnung einer Gehörlosenambulanz geplant, um den Zugang zur medizinischen Versorgung barrierefrei zu ermöglichen.

Ich selbst war vorher in der Gehörlosenambulanz in Linz tätig und die Arbeit dort hat mich sehr begeistert. Die Gehörlosenambulanz in Linz war die erste Österreichs und wird ebenfalls vom Orden der Barmherzigen Brüder betrieben. Mit der Unterstützung des Kärntner Gehörlosenverbandes und von Primar Dr. Hans Jörg Neumann, MSc (=Master of Science) konnten wir nun auch im Süden Österreichs mit einer Ambulanz starten. In Kärnten gibt es rund 600 Gehörlose und es ist wichtig, dass ihnen der Zugang zum Gesundheitssystem erleichtert wird.

 

Welche Leistungen bietet die Ambulanz für Gehörlose?

Wir bieten eine allgemeinmedizinische Versorgung an. Das bedeutet, Patienten können mit aktuellen Beschwerden kommen, wir beantworten Fragen zu Befunden und Gesundheitsthemen und möchten Patienten mit chronischen Krankheiten langfristig betreuen. Zusätzlich bieten wir die Durchführung einer Vorsorgeuntersuchung an.

Bei der Vorsorgeuntersuchung wird Blut abgenommen, ein EKG gemacht, eine körperliche Untersuchung durchgeführt und ausführlich gesprochen. Das ist in Österreich einmal pro Jahr als Gesundenuntersuchung möglich. So kann man viele Krankheiten frühzeitig erkennen und vorbeugen.

 

Mit welchen Beschwerden kann man in die Ambulanz kommen?

Grundsätzlich versuchen wir den Patienten mit allen Beschwerden weiterzuhelfen. Die Ambulanz gehört aber zur Abteilung der Inneren Medizin in unserem Krankenhaus und darin liegt unser Schwerpunkt.

 

Wie ist die Versorgung, wenn der Patient z.B. einen Spezialuntersuchung in einem anderen Bereich des Krankenhauses braucht oder wenn er stationär behandelt werden muss?

Wenn der Patient eine Spezialuntersuchung bei uns im Krankenhaus braucht, begleitet ihn die Gebärdensprachdolmetscherin. Vorher erklären wir gemeinsam den Ablauf der Untersuchung.

Bei einem stationären Aufenthalt möchten wir natürlich ermöglichen, dass der Patient regelmäßig von jemandem aus unserem Team besucht wird und bei der Kommunikation unterstützt wird.

 

Was sagen die gehörlosen Patienten zu diesem barrierefreien Angebot?

Die Gehörlosenambulanz ist in Kooperation mit dem Gehörlosenverband Kärnten entstanden. Der Gehörlosenverband hat uns sehr unterstützt, das Angebot bekannt zu machen. Wir haben gemeinsam im Vorhinein besprochen, worauf besonders geachtet werden soll.

Wir haben gerade erst gestartet, aber bis jetzt haben schon viele Gehörlose Termine für die Ambulanz vereinbart. Der Bedarf ist sehr hoch und wir freuen uns sehr über jede einzelne Anmeldung!

 

Wann haben Sie in der Ambulanz Sprechzeiten?

Aktuell hat unsere Gehörlosenambulanz jeden Freitag von 9 bis 11 Uhr geöffnet. Die Patienten vereinbaren Termine per Mail oder SMS. Auch die Kommunikation über Videochat ist möglich. Diese Informationen sind auf unserer Homepage www.barmherzige-brueder.at zu finden. Bis jetzt hat das sehr gut geklappt.

 

Gibt es noch ähnliche Angebote in Österreich?

In Österreich gibt es vier weitere Gehörlosenambulanzen in Linz, Wien, Salzburg und Graz. Drei davon gehören ebenfalls zu den Barmherzigen Brüdern.

In Linz sind zum Beispiel direkt an die Ambulanz auch Sozial- und Familienberatung, Arbeitsassistenz und eine Psychologin angeschlossen. Alle Mitarbeiter sprechen dort Gebärdensprache und das ermöglicht eine sehr vertrauensvolle Beziehung zu den Patienten.

 

Sie selbst beherrschen die österreichische Gebärdensprache, wo haben Sie sie gelernt?

Ich habe an der Medizinischen Universität Wien studiert und dort wird das Wahlfach "Österreichische Gebärdensprache für MedizinerInnen" angeboten. So können sich Medizinstudentinnen und Medizinstudenten, die sich dafür interessieren, freiwillig zu diesem Sprachkurs anmelden.

Ich habe den Kurs ein Jahr lang besucht. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, diese spannende Sprache zu lernen und mehr über die Gehörlosenkultur zu erfahren! Außerdem habe ich einen Onlinekurs auf der Seite Lingvano.com gemacht.

Jetzt freue ich mich immer sehr, von den gehörlosen Patienten neue Vokabel zu lernen. Ich lerne hier selbst sehr viel.

 

Können alle Mitarbeiter der gehörlosen Ambulanz gebärden?

Wir haben unsere Ambulanz in Klagenfurt gerade erst eröffnet und sind deswegen diesbezüglich noch am Anfang. Bis jetzt sprechen die Gebärdensprachdolmetscherin und ich die Gebärdensprache. Es interessieren sich aber schon einige Mitarbeiter für das Erlernen der Sprache und die Gehörlosenkultur.

Das Ziel ist natürlich, dass unser Team größer wird und bald noch mehr Mitarbeiter die Gebärdensprache können.

 

Momentan ist die Zahl der Coronaerkrankten zurück gegangen. Bei Bedarf können sich bei Ihnen auch Gehörlose Corona-Patienten behandeln lassen?

Gehörlose Corona-Patienten können leider nicht bei uns im Krankenhaus aufgenommen werden, da die Coronaerkrankten in Klagenfurt alle in einem anderen Klinikum behandelt werden. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr ist es natürlich sehr wichtig, die Patienten nicht auf verschiedene Orte aufzuteilen.

Wenn gehörlose Patienten aber Fragen zu Corona haben, können sie sich jederzeit bei uns über E-Mail, SMS oder Videochat melden.

 

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für die Ambulanz!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Elisabethinen–Krankenhaus Klagenfurt

 

 

 
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