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Experten-Interview März 2021



Barrierefreie Impfung – Gebärdensprachdolmetscher auf Knopfdruck

Haben Sie endlich einen Impftermin? Jetzt bräuchten Sie nur noch einen Gebärdensprachdolmetscher! Aber wie wird das organisiert? In Köln, Düsseldorf und Oberhausen zum Beispiel können die Impfzentren die Dolmetscher online zuschalten. Wie es geht, erzählt uns Alexander Gulentz, Geschäftsführer von DEAF.digital GmbH.

 

Herr Alexander Gulentz, stimmt es, dass in einigen Städten in NRW, die Gebärdensprachdolmetscher online bei der Impfung zugeschaltet werden können?

Alexander Gulentz: Ja, das stimmt und ist korrekt! Vor einigen Wochen ist die Stadt Köln, genauer gesagt der Leiter des Impfzentrums, auf uns zugekommen. Man hat sich vor Ort sehr intensiv Gedanken darüber gemacht, wie man mit Gehörlosen im Impfzentrum umgeht und wie man sich der Situation stellt. Vor allem wie man die Situation löst? In jedem Impfzentrum gibt es einen Ablauf, in den der Umgang mit Gehörlosen eingebaut werden muss. Das haben wir sofort unterstützt und gemeinsam diese Lösung entwickelt.

 

Die Leitungen der unterschiedlichen Impfzentren sind sehr gut untereinander vernetzt. Es stellte sich sehr schnell heraus, dass die Stadt Düsseldorf und die Stadt Oberhausen ebenso ein sehr starkes Interesse an dieser Lösung haben. So wurde sehr schnell klar, dass diese 3 Städte in einem Boot sitzen und gemeinsam das Thema Inklusion vorwärtstreiben.

 

Wie sollen wir uns, so eine Zuschaltung vorstellen? Können Sie uns den Ablauf erklären?

Diese Kooperation hat uns die Möglichkeit gegeben, die Impfzentren vor Ort selbst einmal anzuschauen und einen Einblick zu erhalten. Vor Ort konnten wir uns sehr gut über die Abläufe informieren und haben zusammen mit dem Personal überlegt, wie der Umgang mit Gehörlosen in die Abläufe involviert werden kann.

 

In jedem Impfzentrum gibt es einen Empfang. Man muss Fieber messen und durchläuft dann verschiedene Stationen. Jeder Gehörlose, der einen Termin (vorausgesetzt derjenige ist an der Reihe) hat, muss sich nun einfach beim Personal am Empfang bemerkbar machen und wird dann vor dort angeleitet.

 

Das Personal verfügt über große Tablets, durch die der Gebärdensprachdolmetscher auf Knopfdruck hinzugeschaltet wird. Das Personal vor Ort und der Gebärdensprachdolmetscher begleiten dann den Gehörlosen durch jede Station und klärt zum Beispiel letzte Fragen an das medizinische Personal. Am Ende können die Gehörlosen mit einer Impfung das Impfzentrum sorgenfrei verlassen.

 

Müssen Gehörlose zum Impftermin vorab einen Gebärdensprachdolmetscher im Impfzentrum buchen?

Nein, das entsprach nicht der Idee. Gebärdensprachdolmetscher stehen sofort zur Verfügung und eine vorherige Terminvereinbarung mit dem Dolmetscher ist nicht notwendig. Der Impfling benötigt „nur“ den Termin im Impfzentrum, für den Rest ist gesorgt! Das ist doch Inklusion!

 

In welchen Zeitraum stehen die Dolmetscher zur Verfügung? Und wer sind die Dolmetscher?

Die Dolmetscher stehen dauerhaft für die Öffnungszeiten der Impfzentren zur Verfügung. Die Städte haben unterschiedliche Öffnungszeiten. Wir können sicherstellen, dass wir immer bereitstehen, sobald ein Gehörloser einen Termin im Impfzentrum hat.

 

Wir arbeiten im Rahmen einer Kooperation mit dem etablierten Unternehmen Tridimo Nusch & von Berg GbR – Dolmetscher für Gebärdensprache – aus Köln zusammen. Bei Bedarf können weitere Dolmetscher auf die Plattform aufgeschaltet werden. Die Dolmetscher verfügen alle über einen anerkannten Abschluss und sind in einem der für das Bundesland zuständigen Berufsfachverbände.

 

Wie ist die Kostenübernahme der Gebärdensprachdolmetscher geregelt?

Das ist ganz einfach: Die Kostenübernahme ist mit den jeweiligen Städten geregelt und entsprechend übernommen. Die Gehörlosen müssen sich um nichts kümmern. Kein Antrag, keine Bestätigung oder Ähnliches.

 

Ihre Firma DEAF.digital GmbH, stellt quasi die Onlineplattform zur Verfügung. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Die Idee kam uns bereits vorher das Konzept umzusetzen und just im richtigen Augenblick kam die Stadt Köln auf uns zu. Dass Gebärdensprachdolmetscher die Gehörlosen begleiten müssen ist, so glauben wir, völlig unumstritten. Die Herausforderung, die alle Gehörlosen haben sind: (1.) die Verfügbarkeit der Dolmetscher und (2.) die Koordination des eigentlichen Impftermins und gleichzeitig die Verfügbarkeit der Dolmetscher exakt zu diesem Termin.

 

Seit Beginn der Corona-Pandemie gehört die Kommunikation über Onlinemedien für Gehörlose zum alltäglichen Leben, so dass ein Online Angebot sehr naheliegend war. Gehörlose sind, im Vergleich zu nicht-behinderten Menschen, ohnehin technologisch sehr versiert und mit dem Umgang der digitalen Medien vertraut. Da haben wir 1 und 1 zusammengezählt und die Idee des qualitativen Online Dolmetschens im Impfzentrum war geboren.

 

Deutschland hinkt dem Thema der Inklusion und Digitalisierung im internationalen Vergleich ohnehin hinterher, wodurch dieses Angebot wieder ein großer und wichtiger Schritt in Richtung Inklusion ist!

 

Wer übernimmt die Kosten für das technische Equipment (Bildschirme, Netznutzung usw.) und wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Das gesamte Equipment wird durch die Impfzentren bzw. die Städte in Kooperation mit DEAF-digital bereitgestellt. Wie bereits schon gesagt, die Grundidee war, die Gehörlosen sollen sich um nichts kümmern müssen und können sich in vollem Umfang mit der eigentlichen Impfung auseinandersetzen bzw. darauf konzentrieren.

 

In welchen Städten können Gehörlose momentan dieses barrierefreie Angebot in Anspruch nehmen? Wo gibt es hierzu Infos?

Aktuell besteht die Kooperation mit der Stadt Köln, der Stadt Düsseldorf sowie der Stadt Oberhausen. Wir erhalten derzeit viele Anfragen und würden uns wünschen, dass wir dieses Angebot gerne auf weitere Impfzentren ausweiten können.

 

Können Sie sich vorstellen, dieses Angebot auch in anderen Bundesländern zu realisieren?

Ja, sehr gerne sogar! Inklusion ist und bleibt ein sehr wichtiges Thema. Wir haben hier einen, in unseren Augen, sehr wichtigen Meilenstein erreicht! Wir würden uns persönlich wünschen, dass wir weitere Impfzentren erreichen können, die das Angebot in selbigem Umfang anbieten. Wir arbeiten hier bereits sehr intensiv daran. Hoffentlich können wir hierzu in den kommenden Wochen weitere gute Neuigkeiten veröffentlichen.

 

Gleichzeitig sind wir dankbar für jede weitere Unterstützung und hoffen hiermit das Thema Barrierefreiheit für Gehörlosen mehr in den Fokus zu stellen!

 

Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Alexander Gulentz

 

 
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