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Experten-Interview Oktober 2011



Firmen und Privatpersonen können Tess mit einem Probekonto kostenlos testen

 

Der Messestand von Tess auf der RehaCare Messe in Düsseldorf war wie immer auch dieses Jahr sehr gut besucht. Hier habe ich mich mit der Geschäftsführerin der Tess GmbH, Sabine Broweleit, unterhalten.

 

Judit Nothdurft: Die Leistungspalette von Tess wird immer größer, welche Neuigkeiten präsentieren Sie dieses Jahr?

Sabine Broweleit: Wie jedes Jahr bringen wir verschiedene Endgeräte mit zur Messe. Dieses Mal zeigen wir neben dem PC mit der MMX Software verschiedene SIP-Telefone und Lichtsignalanlagen. Ganz neu ist die Nutzung von Tess mit einem Tablet PC. Dafür haben wir das Samsung Galaxy dabei.

Für viele Messebesucher ist die Funktionsweise des Vermittlungsdienstes jedoch interessanter als die Endgeräte.

Mit unserem Voice Carry Over im Relay-Dienst TeScript zum Beispiel sprechen wir immer mehr Nutzer an. Bei dieser Funktion können hörbehinderte Kunden selbst zum hörenden Gesprächspartner sprechen und lesen nur die Antworten am PC ab. Vor allem ältere Messebesucher sind davon begeistert.

Gern hätten wir auf der diesjährigen RehaCare bereits die neue Version unserer MMX-Software präsentiert. Sie hat ein völlig neues Layout, das noch bedienungsfreundlicher ist. Weiterhin können wir eine noch bessere Bildqualität bei Videoverbindungen bieten. Momentan testen wir die neue Software. Voraussichtlich ab Mitte Oktober 2011 können unsere Kunden diese Software nutzen.

 

Wie viele Menschen nutzen eigentlich Ihre Telefonvermittlungsdienste? (privat und beruflich)?

Die Zahl der Kunden steigt stetig. Wir haben jetzt 6-mal so viele Kunden, wie zu Beginn des Dienstes. Davon sind 80 Prozent private Nutzer.

 

Welches Endgerät bevorzugen die meisten Ihrer Kunden, um sie zu erreichen?

Die meisten Kunden nutzen den PC mit der MMX Software.

 

Viele Gehörlose möchten wissen, wann sie endlich mit ihren iPhones oder Android-Handys auch Tess erreichen können???

Hier sind wir von dem Entwickler der MMX-Software (die Firma nWise, Schweden) abhängig. Für Android-Handys gibt es bereits eine Beta-Version der MMX-Software, die wir noch in diesem Jahr für Tests erhalten werden. Auch für das iPhone arbeitet die Firma nWise bereits an einer Software, mit der dann auch die Tess – Relay-Dienste genutzt werden können.

 

Oft höre ich von Arbeitnehmern, dass sie Tess auch am Arbeitsplatz benutzen möchten. Aus unterschiedlichen Gründen klappt es aber nicht. Hat man grundsätzlich ein Recht auf Tess-Nutzung am Arbeitsplatz?

Ein grundsätzliches Recht auf Tess-Nutzung am Arbeitsplatz gibt es leider nicht. Und es ist leider nach wie vor oft der Fall, dass hörbehinderte Menschen ihren Telefonbedarf am Arbeitsplatz begründen müssen. Deshalb müsste die Frage meiner Meinung nach lauten: Müssen hörende Personen um das Recht bitten, am Arbeitsplatz zu telefonieren? In allen Berufen, in denen das Telefonieren zum Arbeitsalltag gehört, ist es selbstverständlich, dass hörende Personen telefonieren können. Warum wird es hörbehinderten Menschen so schwer gemacht?

 

Was raten Sie, wie sollte man am Arbeitsplatz vorgehen, um einen Antrag auf Tess–Nutzung erfolgreich durchzusetzen?

Es ist wichtig darzustellen, welche Vorteile das Telefonieren am Arbeitsplatz bringt. Dies sind u.a.:

  • Kommunikationsbarrieren am Arbeitsplatz werden abgetragen
  • Bessere Zusammenarbeit zwischen hörenden und hörbehinderten Kollegen
  • Arbeitsplatzsicherung
  • Steigerung der Effektivität
  • Erweiterung des Aufgabenbereichs ist möglich
  • Selbstständiges Arbeiten
  • Höhere Zufriedenheit am Arbeitsplatz

 

Auf unserer Homepage haben wir Informationen zur Arbeitsassistenz sowie Formulare veröffentlicht, die für die Antragstellung bei dem zuständigen Integrationsamt genutzt werden können.

Gerne können sich die Arbeitgeber auch mit unserer Geschäftsstelle in Verbindung setzen, damit wir Ihnen das Vermittlungssystem erklären. Oft wissen sie einfach nicht, wie es funktioniert und wie einfach es ist.

 

Kann man Tess-Mitarbeiter z.B. zu einer Präsentation in die Firmen einladen?

Ja natürlich. Das machen wir bereits seit längerer Zeit. Daneben bieten wir auch die Möglichkeit, telefonisch den Dienst zu erklären, und die Firmen können uns mit einem Probekonto kostenlos testen. Dies hat sich in der Vergangenheit bereits oft bewährt.

 

Seit diesem Jahr bieten Sie auch Telefonschulungen für Gehörlose an. Was kann man dort lernen?

Gehörlosen Schülerinnen und Schülern werden die Grundsätze des Telefonierens erklärt. Für viele ist es Neuland. Themen sind zum Beispiel warum man telefoniert und welche Themen man am Telefon bespricht. Welche Vorteile bringt es zu telefonieren und wie verhält man sich bei einem Telefonat? Dazu gehört die Begrüßung, Verabschiedung, Kleidung, Positionierung vor der Kamera, Lichtverhältnisse im Raum usw.

Es ist immer eine Interaktion mit den Schülern. Viele Themen ergeben sich während der Schulung.

 

Warum ist solch eine Schulung für Gehörlose wichtig?

Hörende Menschen wachsen mit dem Telefon auf. Sie müssen nicht lernen zu telefonieren. Es ist selbstverständlich. Für gehörlose Menschen bieten wir erst seit einigen Jahren das Telefonieren an. Dadurch ist es für viele noch fremd. Sie müssen das Telefonieren lernen und wie bei allem Neuen erst einmal die Unsicherheit besiegen.

 

Werden diese Schulungen deutschlandweit angeboten und was müssen die Teilnehmer zahlen. Kann man sich auch als Einzelperson anmelden?

Die Schulungen bieten wir deutschlandweit für Schülerinnen und Schüler von Gehörlosenschulen an. Sie sind kostenlos.

 

Privat kann man die Tess-Dienste täglich von 8:00 bis 23:00 Uhr erreichen. Aber was passiert, wenn irgendwo um 23:30 ein Feuer ausbricht?

Das wäre tragisch. Leider dürfen wir unsere Dienste nur zu den genannten Zeiten anbieten. Und leider sind wir auch nicht dazu verpflichtet, notruffähig zu sein. Derzeit regelt die Notrufverordnung, dass Notrufnummern auch faxfähig sein müssen.

In dem beschriebenen Fall muss der Tess-Kunde auf die Möglichkeit des Faxes zurückgreifen. Wenn das Fax wegen des Feuers nicht erreichbar ist, was beim PC oder Telefon auch bei hörenden Personen passieren kann, muss man z.B. seinen Nachbarn darum bitten, den Notruf abzusetzen.

 

Verständlicherweise ist ein großer Wunsch von vielen Hörgeschädigten Tess 24 Stunden zu erreichen. Gibt es hierzu schon Überlegungen?

Natürlich. Einen 24 Stunden-Dienst anzubieten ist auch ein großer Wunsch von Tess. Und wäre ein Telefonvermittlungsdienst gesetzlich verpflichtet, notruffähig zu sein, dann hätten wir einen solchen Dienst... Dies ist derzeit jedoch nicht der Fall.

Aber die Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten – Selbsthilfe und Fachverbände e.V. als Inhaberin von Tess engagiert sich hierfür weiterhin im politischen Bereich.

 

Dann hoffen wir, dass es bald klappt und vielen Dank für das Gespräch!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Sabine Broweleit

 
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