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Experten-Interview Juli 2012



Stress hat jeder, aber es ist wichtig, dass man einen Ausgleich zum Stress schafft!

 

Stress ist in unserem Leben überall und wir sollten lernen, damit umzugehen. Wie dies möglich ist, hierzu berät Gehörlose in Nürnberg die Sozialpädagogin Katina Geissler, natürlich in Gebärdensprache.

 

Judit Nothdurft: Fast jeder von uns klagt über Stress, das Wort ist ja richtig modisch geworden. Aber was bedeutet eigentlich Stress?

Katina Geißler: Wir sind ständig von Reizen (Stressoren) umgeben. Diese Reize sind innere oder äußere Ereignisse, die auf uns wirken. Je nach Intensität (Stärke) rufen sie bei uns psychische oder physische Reaktionen hervor. Diese Reaktionen befähigen uns dazu, diese Anforderungen zu bewältigen. Damit ist Stress gemeint.

Innere Reize sind beispielweise hohe Erwartungshaltungen, negative Einstellungen oder Toleranz. Zu den äußeren Stressfaktoren gehören Licht, Kälte, Hitze, Lärm usw.

 

Woher stammt der Ausdruck „Stress“?

„Stress“ ist ein englisches Wort und heißt auf Deutsch „Anspannung bzw. Druck“. Der österreichisch-kanadische Mediziner Hans Selye hat den Begriff „Stress“ im Jahre 1936 eingeführt. Das Wort kommt ursprünglich aus der Physik und hier bezeichnete man damit den Druck oder Zug auf ein Material.

 

Welche Arten von Stress gibt es?

Nach Selye gibt es zwei Arten von Stress, positiver Stress (Eustress) und negativer Stress (Disstress). Eustress (die griechische Vorsilbe „Eu“ bedeutet „gut“) gibt es z.B., wenn wir die Sonnenstrahlen fühlen. Wir empfinden sie als angenehm und sie machen uns zufrieden. So ist es auch, wenn wir Freude empfinden oder ein gutes Fußballspiel anschauen. Und verliebt zu sein, sich auf die Hochzeit vorzubereiten, ist auch positiver Stress. Oder als Sportler alles zu geben, um die ersehnte Medaille zu gewinnen.

 

Ganz anders ist es mit negativem Stress. Hier empfinden wir die Reize als unangenehm, überfordernd oder sogar bedrohlich. Über negativen Stress sprechen wir, wenn der Körper keine oder wenig Ressourcen für die Bewältigung hat. Jeder kennt die Situation, wenn man im Stau steht und sich ärgert. Noch größer wird der Stress, wenn man deswegen irgendwo zu spät kommt oder jemanden verpasst.

 

Welche Auswirkungen hat Stress auf unseren Körper?

Sowohl der positive Stress, wie auch der negative Stress wirken sich enorm auf die Leistungsfähigkeit der Menschen aus. Der positive Stress wirkt im Allgemeinen positiv auf den gesamten Körpermechanismus. Er fördert die Leistungsbereitschaft bis hin zur maximalen Grenze, erhört die Aufmerksamkeit und die Motivation.

Der lang anhaltende negative Stress dagegen kann dem Körper schaden. Bei dauerhafter Anspannung nimmt die Leistungsbereitschaft eines Menschen drastisch ab. Die Funktionsfähigkeit des Organismus kann dadurch beeinträchtigt werden. Bei der Arbeit lässt die Konzentration nach, Denkblockaden treten auf und man wird schnell müde. Es können Herz- Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Oft klagen die Betroffenen auch über Schlaflosigkeit und Nervosität.

 

Kann es sein, dass wir uns manchmal, unnötig unter Druck setzen?

Ja, sogar sehr oft! Es gibt viele Situationen, die deutlich zeigen, dass wir uns bewusst und / oder unbewusst selber unter Druck setzen. Die Gründe hierfür können sein, dass wir immer und alles perfekt machen wollen.

 

Leistungsdruck auf die Dauer kann auch Burnout verursachen

Ja, das ist richtig. Die Wissenschaft bezeichnet unter Burnout einen Zustand, wo der Mensch emotional total erschöpft ist. Das kann sogar zum Totalausfall der Leistungsbereitschaft führen. Wie der Name schon sagt, man fühlt sich ausgebrannt. Das Burnout-Syndorm ist als eigenständige Krankheit allerdings nicht anerkannt, aber es wird als Handicap zur Lebensbewältigung angesehen.

 

Was sind die Anzeichen für das Burnout-Syndrom?

Man fühlt sich müde, antriebslos, erschöpft, das können die ersten Anzeichen eines Burnout-Syndroms sein. Weiterhin treten häufig Depressionen auf, wie das Gefühl von Wertlosigkeit, Rückzug und Meidung sozialer Kontakte. Hinzu kommen Angst- und Schlafstörungen, Vernachlässigung persönlicher Bedürfnisse, Suchtverhalten, Sexualstörungen und vieles mehr. Im schlimmsten Fall kommen sogar Suizidgedanken (Selbstmordgedanken) oder tatsächlicher Suizid (Selbstmord) hinzu.

 

Wie kann man vorbeugen?

Indem man sich bewusst macht, dass man unter einer Stress-Situation leidet. Man sollte versuchen, den Stress zu reduzieren, mehr Aktivitäten in der Freizeit unternehmen, Entspannungstechniken ausprobieren oder einem Hobby nachgehen.

 

Wem sollte man sich anvertrauen?

Man sollte sich Hilfe holen durch Angehörige und eine professionelle psychologische Beratung aufsuchen, die sich auf diese Themen spezialisiert hat.

 

Wachsende Aufgaben und Zeitdruck auf dem Arbeitsplatz kennen alle von uns. Man möchte alle Aufgaben erledigen, um dem Chef und den Kollegen nicht negativ aufzufallen. Aber irgendwann ist die Grenze erreicht. Was raten Sie in solchen Fällen?

Es ist wichtig ein offenes Gespräch mit den Kollegen bzw. dem Chef zu führen. Dabei sollte man freundlich und ohne Vorwürfe seine Überforderung/Probleme zum Ausdruck bringen und Grenzen seiner Belastbarkeit aufzeigen. Für den Betroffenen ist es wichtig auch Dinge abzulehnen und „NEIN-Sagen“ zu lernen.

Aber es ist auch sehr wichtig zu lernen, strukturiert zu arbeiten und ein sinnvolles Zeitmanagement zu überlegen.

 

Zu Hause haben wir auch oft Situationen in der Partnerschaft oder bei der Kindererziehung, die uns überfordern. Wie sollte man hier reagieren?

Auch hier ist ein offenes Gespräch mit dem Partner bzw. der Familie sehr wichtig. Es könnte auch hilfreich sein, wenn man den Partner mit mehr Toleranz begegnet. Konkret gesehen, ich habe weniger Stress, wenn ich z.B. akzeptiere, dass mein Partner beim Frühstück immer die Zeitung lesen möchte, statt mit mir zu reden. Wenn ich mich deswegen aber ständig aufrege, mache ich mir unnötig Stress.

Außerdem hat man die Möglichkeit sich von außen z.B. in Form einer Familienberatung professionelle Hilfe zu holen. Es gibt sehr viele Einrichtungen, die auf diesem Gebiet arbeiten und ihre Hilfen anbieten.

 

Viele von uns kennen die Situation. Man liegt abends im Bett und überlegt und überlegt…Wie kann man das abstellen und, statt zu grübeln, entspannt einschlafen?

Gedankenkontrolle – heißt das Zauberwort! Man muss bewusst lernen, die Gedanken abzuschalten und an etwas Schönes denken, z.B. an den letzten Urlaub, an das Meer usw.

Oder, ich persönlich stelle mir die Farbe Blau vor. Blau ist meine Lieblingsfarbe und hilft mir, wenn ich an sie denke bzw. sie mir vorstelle, zu entspannen.

Oder, ich träume von einem schönen Wald mit viel Grün. Wenn ich nicht einschlafen kann, sind oft meine Muskeln im Schulterbereich verspannt. Dann konzentriere ich mich darauf, sie bewusst zu entspannen. Ich fühle den Muskel und sage ihm, er soll sich entspannen.

 

Haben Sie selbst auch manchmal Stress? Was tun Sie dann?

Selbstverständlich! Stress hat jeder, man kann ihn auch nicht vermeiden. Es ist sogar gesund Stress zu haben, aber es ist wichtig, dass man einen Ausgleich zum Stress schafft. Ich versuche durch Yoga, spazieren gehen oder wandern in der Natur einen Ausgleich für mich zu schaffen. Auch einfach mal rausfahren, um den nötigen Abstand wieder zu gewinnen.

 

Welche Entspannungstechniken empfehlen Sie unseren Lesern?

Es gibt Meditation, zahlreiche Entspannungsmethoden, wie autogenes Training, Yoga, Quigong, Hypnose, und progressive Muskelentspannung. Den Lesern empfehle ich, alles mal auszuprobieren, um eine Methode für sich zu entdecken, denn nicht jedem gefällt automatisch alles.

 

Sie beraten über das Thema Hörgeschädigte / Gehörlose. Wie und wo kann man Sie erreichen? Was kostet die Beratung?

Die Beratung mache ich im Sozialen-Teilhabe-Zentrum der ev. Gehörlosenseelsorge in Nürnberg. Zu den Klienten gehören Männer, Frauen unterschiedlichen Alters. Ich rate meinen Klienten erst einmal, die Ruhe zu bewahren. Ich schaue erstmal, welche Schritte jetzt getan werden müssen. Ob ein klärendes Beratungsgespräch helfen kann, ob der Betroffene sich eine Auszeit nehmen kann. Manchmal ist es auch wichtig, dass ich einen Hausbesuch mache, um mir vor Ort über die Stressfaktoren ein Bild zu machen. Wenn eine professionelle Hilfe, wie z.B. eine Kurmaßnahme benötigt wird, dann helfe ich bei der Antragstellung. Meine Beratung ist kostenlos und richtet sich an alle gehörlosen Menschen. Weitere Informationen über unsere Einrichtung findet man auf unserer Homepage http://www.egg-bayern.de

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Text: Judit Nothdurft

Bild: Katina Geissler

 

 
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