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Experten-Interview Dezember 2012



Die Gebärde des Jahres: „Ich liebe Dich“

 

Seit 1977 wird regelmäßig von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) das Wort des Jahres gewählt. Aber was ist mit der Gebärde des Jahres?

 

Judit Nothdurft: Frau Tautz, das BBW Leipzig hat sich zur 10-jährigen Anerkennung der Gebärdensprache was Besonderes einfallen lassen …

Andrea Tautz: Jährlich werden das Wort des Jahres, das Unwort des Jahres und das Jugendwort des Jahres gewählt. Warum soll es da nicht auch eine Gebärde des Jahres geben? So eine Wahl war längst überfällig! Die 10-jährige Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache haben wir deshalb zum Anlass genommen, auf den 5. Kulturtagen der Gehörlosen in Erfurt die Aktion „Gebärde des Jahres 2012“ zu starten. Bis zum 10. Oktober konnte jeder sein Video auf Facebook hochladen und am Wettbewerb teilnehmen.

 

Was war das Anliegen dieser Aktion?

Seit über 20 Jahren bilden wir Jugendliche mit Hörbehinderung in über 30 Berufen aus und vermitteln sie in Arbeit. Die jungen Menschen begleiten uns zwei oder drei Ausbildungsjahre mit ihrer Kultur – und natürlich mit ihren Gebärden. Mit unserer Aktion wollen wir die Gebärdensprache mehr ins öffentliche Bewusstsein rücken und zeigen, wie ästhetisch, vielfältig und dynamisch sie ist. Neue Medien wie Facebook bieten die Möglichkeit, dass sich Gebärden in vielen sozialen Netzwerken verbreiten und ein breites Publikum erreichen. Die Aktion leistet damit einen Beitrag zu gelebter Inklusion.

 

Für die Gehörlosenkultur ist es ein völlig neuer Wettbewerb. Wie waren die Reaktionen?

Die Reaktionen waren überaus positiv. Schon auf den Kulturtagen bekamen wir ungeheuer viel Feedback von den Besuchern unseres Standes. Das Magazin „Sehen statt Hören“ drehte einen Beitrag über unsere Facebook-Aktion, der am 6. Oktober gesendet wurde. Aber auch Internet-Plattformen wie Deafservice, Vibelle und Taubenschlag haben uns unterstützt, indem Sie auf unsere Aktion aufmerksam gemacht haben. Allen Unterstützern sagen wir herzlichen Dank. Die Nutzer von Facebook sahen sich die Videos auf unserer Pinnwand an, stimmten ab, kommentierten die Videos und teilten sie in ihren eigenen Facebook-Profilen. Zwischen 200 und 500 Mal sind die vorgestellten Videos angesehen worden. Wenn das nicht für eine positive Reaktion auf unsere Aktion spricht, was dann?

 

Wie viele Leute haben sich an diesem Wettbewerb beteiligt? Wie viele Gebärden haben Sie erhalten?

Insgesamt wurden auf der Facebook-Seite des Berufsbildungswerkes 33 Gebärden hochgeladen und standen dort bis zum 11. November zur Abstimmung bereit. Es gab keine Jury, sondern jeder konnte mit abstimmen. Die Gebärde, die am Ende die meisten Stimmen bekommen hat, ist nun die „Gebärde des Jahres 2012“.

 

Wurden alle Videos anschließend zur Abstimmung frei gegeben oder hat das BBW eine Vorauswahl getroffen?

Nein, wir haben keine Vorauswahl getroffen. Wir haben nur darauf geachtet, dass die aufgenommenen Gebärden nicht den Teilnahmebedingungen widersprechen. Da das nicht der Fall war, mussten wir kein Video vom Wettbewerb ausschließen. Die Gebärden waren thematisch und inhaltlich sehr unterschiedlich und deshalb war die Abstimmung bis zuletzt spannend. Alle 33 Gebärdenvideos können weiterhin auf Facebook angeschaut werden.

 

Die Abstimmung erfolgte über Facebook und endete am 11.11.2012. Wie viele Leute haben sich an dieser Abstimmung beteiligt?

Für die Aktion „Gebärde des Jahres 2012“ wurde 6.821 Mal abgestimmt. So viel Beteiligung hatten wir uns erhofft, aber nicht erwartet. Das zeigt das große Interesse an der Aktion. Zusätzlich ein toller Nebeneffekt war, dass wir sehr viele neue Facebook-Freunde gewinnen konnten. Die Reichweite unserer Facebook-Seite wies zwischenzeitlich fast 7.000 Personen aus!

 

Was wurde die Gebärde des Jahres und wer ist der glückliche Gewinner?

Die Gebärde des Jahres 2012 ist „Ich liebe Dich“ von Elisa Langrock. Dieses Video erhielt 1.493 Stimmen (= 24,96 Prozent). Die 27-jährige glückliche Gewinnerin aus Leipzig kann sich über ein nagelneues iPad freuen. Sie wird zum Neujahrsempfang im Januar 2013 ins Berufsbildungswerk eingeladen und bekommt dort ihren Gewinn überreicht.

 

Wissen Sie etwas über die Motivation von Frau Langrock mitzumachen?

Überraschend ist, dass Frau Langrock selbst nicht hörgeschädigt ist. Vor längerer Zeit hat sie aus reinem Interesse angefangen, Gebärdensprache zu lernen, ist aber nicht allzu weit gekommen, wie sie selbst meint. Seit sie in einem Unternehmen beschäftigt ist, wo auch schwerhörige und gehörlose Kollegen arbeiten, ist ihr Interesse wieder geweckt. Nun will sie ihre Gebärdensprachkenntnisse erneuern und festigen. Dass sie gleich die „Gebärde des Jahres 2012“ liefert, davon war sie selbst überrascht. Niemals hat sie damit gerechtet, diesen Wettbewerb zu gewinnen!

 

Welche Gebärden haben noch eine gute Platzierung erreicht?

Auf dem zweiten Platz liegt die Gebärde „Servus“ mit 1.480 Stimmen (= 24,75 Prozent), auf dem dritten Platz „Überlegen, sehr stark“ mit 1.196 Stimmen (= 20 Prozent). Die Entscheidung zwischen „Ich liebe Dich“ und „Servus“ ist also denkbar knapp ausgefallen.

 

Wird 2013 auch die Gebärde des Jahres gesucht?

Wir wollen die Aktion in den nächsten Jahren weiter führen. Sicher wird sich diese Aktion noch mehr herumsprechen. Wir hoffen, dass noch viel mehr Personen aller Altersgruppen teilnehmen. Ob die Teilnehmer gehörlos oder hörend sind, spielt dabei keine Rolle, wie man an der Gewinnerin sieht. Und je größer die Anzahl der eingereichten Videos, desto spannender der Wettbewerb!

Also schon mal vormerken: Im nächsten Jahr gibt es eine zweite Auflage. Dann suchen wir die „Gebärde des Jahres 2013“!

 

Ich bedanke mich für das Interview und wünsche ganz viele Teilnehmer in 2013!

 

Text: Judit Nothdurft

Bild: Andrea Tautz

 

 
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