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Experten-Interview November 2013



Die innere Reise ist der Schlüssel - Yoga für Hörbehinderte und Gehörlose

 

Betty Schätzchen aus Berlin praktiziert seit 2002 verschiedene Yoga-Stile und unterrichtet seit 2006 Yoga für Hörbehinderte und Hörende.

 

Frau Schätzchen, wie kann ich rausfinden, welcher Yoga-Stil zu mir passt?

Betty Schätzchen: Es empfiehlt sich mehrere Yogaschulen zu besuchen, mehrere Lehrer kennenzulernen, auch von einer Yogarichtung. So erzielt man die unterschiedlichen Erfahrungen und Erkenntnisse welche Yogaform zu einem passt. Nur hier braucht man Geduld und Zeit.

Um Zeit zu sparen kann man z.B. sich mit Bekannten oder Freunden beraten, die bereits Yogaerfahrungen gemacht haben. Oder man schaut, was wichtig für einen selbst ist: Bin ich mehr der aktive Typ oder sehne ich mich nach Ruhe und Regeneration? Man kann so versuchen, den Bereich einzugrenzen.

 

Es gibt so viele Yoga-Varianten, worin bestehen die Unterschiede?

Die Unterschiede liegen in den Abläufen und Reihenfolgen von Yogapositionen, dem Atemfokus, bei der Darstellung von Mantras und Gesängen, der Energiearbeit und weiteren Aspekten wie u.a. der reinen theoretischen Arbeit, der Wissenschaft. Es gibt Yogaformen, die rein körperorientiert sind, andere wiederum enthalten Gesänge, Atemtechniken, Meditation.

 

Die meisten Menschen denken bei Yoga an Entspannung und Meditation. Kann man sich bei den Übungen auch so richtig auspowern?

Es ist auch richtig, dass man im Yoga Entspannung und Meditation erreicht, auch bei den sogenannten „Power Yoga“ Formen. Ich nenne es auch aktive Meditation oder Bewegungsmeditation. Warum? Im Yoga ist die äußere Komponente, also das reine körperliche Auspowern, allein nicht entscheidend, sondern die inneren Prozesse, die Yoga mit sich bringt. Der synchrone Bewegungs- und Atemfluss sowie die Blickrichtung fördern die Konzentration nach innen. Von außen betrachtet sieht man keinen Unterschied, deshalb ist es oft für den Außenstehenden schwierig die innere Prozessarbeit im Yoga von außen zu „sehen“. Es ist nur erfahrbar, wenn man sich selbst auf den Yogaweg begibt.

Man kann sich also „auspowern“ und sich auf die inneren Prozesse gleichzeitig konzentrieren. Das ist das Spannendste und Herausforderndste im Yoga.

 

Wer kann Yoga machen und wer sollte es lieber lassen?

Prinzipiell kann jeder Yoga machen. Ob jung oder alt, schlank oder beleibt, klein oder groß. Yoga ist so vielfältig, dass es nicht auf einen „Yogatypen“ ankommt. Für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen gibt es auch die Yogatherapie. Hier werden z.B. spezielle Programme auf die Bedürfnisse der einzelnen Personen zugeschnitten.

Wichtig ist, auf den eigenen Körper zu hören und seine Grenzen zu achten. Wir wachsen in einer Gesellschaft auf, die sich sehr stark auf die Leistungserbringung konzentriert. Es passiert immer wieder, dass Menschen diesen Leistungsdruck mit ins Yoga transferieren. Die Verletzungsgefahr erhöht sich und Grenzen werden überschritten, weil nur der äußere Aspekt im Yoga betrachtet wird: „Ich muss diese Übung auch können, ich muss ganz schnell weiter kommen...usw.“ Yoga kennt kein Ziel, kennt keine Zeit, Yoga spiegelt deine inneren Prozesse und Themen.

 

Wie sind Sie zu Yoga bzw. Yoga-Unterricht gekommen?

Ich bin zum Yoga über eine Kampfkunst, die ich damals im Jahr 2002 praktiziert habe, gekommen. Yoga war im Aufwärmungsprogramm der Kampfkunst inbegriffen und ich fand es einfach toll. Ich spürte, wie ich mich entspannte und die Gedanken ruhiger wurden. Ich empfand die Komponenten aus fließenden Bewegungsabläufen und der Atmung als sehr „nach innen“ fokussierend und habe dann geforscht welche Yogaform zu mir passen würde. Eine Freundin hat mir Ashtanga Yoga empfohlen. Es war genau das, was zu mir passte. Ich habe seitdem diverse Intensivtraining, Teacher Training besucht und verschiedene Yogaformen kennengelernt.

Dabei bin ich auch auf Barrieren gestoßen. Oft habe ich ohne Hörgeräte trainiert, da ich während der Yogapraxis viel schwitze und die Geräte es nicht gut vertragen. Ich habe Anweisungen der Lehrer nicht verstanden oder konnte Ihnen nicht folgen. Ich habe oft mit dem Lehrer oder mit anderen Teilnehmern den Stoff nach dem Unterricht oder durch Selbststudium nachgeholt. Aufgrund dieser Erfahrungen kam mir die Idee Yoga für Hörgeschädigte anzubieten.

 

Sie halten regelmäßig Kurse auch für Gehörlose in DGS. Worauf achten Sie besonders bei diesen Kursen?

Wichtig für Gehörlose ist es, dass der Unterricht in ihrer Sprache, nämlich der Gebärdensprache, gehalten wird. Auch mein Bewegungsradius sollte kleingehalten werden, so dass die Teilnehmer mir folgen können. Wichtig ist auch, dass die Bewegungsabläufe kleinschrittig gezeigt und zusammen geübt werden. Nach meiner Erfahrung wird im Yoga so die optimale Basis für Hörgeschädigte geschaffen.

 

Gehörlosen fragen oft, wie soll ich Yoga machen, wenn ich bei manchen Übungen die Augen schließen soll…

Für mich ist es immer wieder erstaunlich und doch verständlich, dass dieses Bild bei Hörgeschädigten so präsent ist. Diese Aussage ist auch stimmig, wenn der Unterricht mit Hörgeschädigten so geführt wird, wie mit hörenden Menschen.

Der Unterricht für Hörgeschädigte muss komplett anders gestaltet werden. Wenn ich mit den Teilnehmern meditiere, machen wir es sehr kleinschrittig. Ich erkläre die Technik, wir üben sie mit geschlossenen Augen zusammen, dann hole ich Teilnehmer mit Berührung aus der Meditation zurück. Dann erkläre ich die nächste Technik und wir üben sie wieder zusammen usw. Irgendwann brauche ich die Teilnehmer nur kurz berühren, OHNE dass sie die Augen öffnen müssen und sie so automatisch zur nächsten Atemtechnik übergehen. Ähnlich verhält es sich mit den Yogaübungen.

 

Ihr nächster Kurs für Gehörlose ist am 22.-23. Februar 2014 in Dortmund. Was steht hier auf dem Programm?

Der Workshop ist in vier Blöcke eingeteilt, die man einzeln oder als Ganzes buchen kann. Im ersten Block am Samstag üben wir Ashtanga Yoga. Hier werden die Sonnengrüße vorgestellt sowie stehende, sitzende und Abschlusspositionen. Im zweiten Block führen wir Yoga zu Zweit, d.h. mit einem Partner (aus der Gruppe) durch und im Anschluss geben wir uns gegenseitig eine Thaimassage. Man nennt sie spaßig auch Yoga für Faule!

Am Sonntag finden die letzten zwei Blöcke statt. Erst Ashtanga Yoga Intensiv – hier vertiefen wir bestimmte Positionen wie z.B. den Kopfstand, um Ängste abzubauen und Selbstvertrauen zu gewinnen. Im vierten Block stelle ich Thai Yoga, oder auch Luesri Dadton genannt, vor. Übersetzt heißt es „den Körper heilsam verbiegen“.

 

Sind auch Anfänger willkommen oder sollte man schon Vorkenntnisse haben?

Alle sind herzlichst willkommen!

Meiner Ansicht nach gibt es keine „Anfänger“ oder „Fortgeschrittenen“, sondern man ist ein Yogareisender mit einem bestimmten Erfahrungsschatz, den man gesammelt hat und weiterhin sammelt. Als erfahrender Yogareisender wird man durch andere, immer wieder erinnert, wo man selbst angefangen hat – es lehrt Verständnis und Mitgefühl für den anderen und einen selbst.

Würde man den Kurs in Anfänger und Fortgeschrittene einteilen, würde dieser Aspekt fehlen und man sich nur daran „wie weit man schon ist oder was man schon alles kann“ orientieren würde. Wie bereits erwähnt, ist nicht der äußere Aspekt „ wie ich alles im Yoga schon kann“, sondern der innere Prozess oder die innere Reise der Schlüssel.

 

Ist die Gruppe gemischt, Männer und Frauen?

Immer gemischt! Auch wenn der größere Teil meistens Frauen sind.

 

Ostern 2013 haben Sie sogar einen Yoga-Kurs für Gehörlose in Thailand organisiert und durchgeführt………

Ganz genau, in den Osterferien, 10 intensive Tage mit 12 tollen Frauen aus Deutschland und der Schweiz. Wir haben zusammen die Zeit im atemberaubenden National Park Khao Sok in Thailand verbracht. Jeder hatte eine eigene Hütte mit Hängematte. Alle Hütten, das Restaurant und die Yogaplattform sind schwimmend, d.h. verbundene Hausboote auf einem Süßwassersee. Wir wurden morgens, mittags und abends mit authentischer und köstlicher Thaiküche verwöhnt. Am frühen Morgen und späten Nachmittag habe ich Yoga, Meditation und Thaimassagen (Yoga für Faule) unterrichtet. Die restliche Zeit haben wir mit Kajaken, Schwimmen, Wanderungen und der Kunst des Faulenzen verbracht. Es war einfach traumhaft schön und friedlich!

 

Wird dieser Kurs in Thailand wieder angeboten?

Der nächste Kurs in Thailand findet vom 30.03-08.04.2015 in den Osterferien statt.

 

Interessierte, die Ihre Kurse nicht besuchen können, haben die Möglichkeit mit Ihrer DVD Yoga zu üben. Worauf sollten Anfänger aufpassen, wenn Sie zu Hause alleine üben? Gibt es Verletzungsrisiken?

Grundsätzlich empfehle ich den Besuch des Yogaunterrichts, um eine Basis zu haben. Die Yoga DVDs dienen der Information und als Erinnerungshilfe zum Selbstüben. Die Übungen, die in den Videos vorgestellt werden, sind risikoarm. Nicht desto trotz erfolgt die Durchführung auf eigene Verantwortung.

Im November 2013 bringe ich neue Yoga DVDs für Hörgeschädigte heraus. Es werden 2 Yoga-Programme angeboten, eine 25-minütige und 45-minütige Yogareihe.

 

Welche Kleidung / Ausrüstung empfehlen Sie zu den Übungen?

Ich empfehle lockere und bequeme Sportbekleidung und eine Yogamatte.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

 

Text: Judit Nothdurft

Bild: Helmut Viertel

 

 
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