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Experten-Interview März 2016



Himmelhüpfer, Rumpelwichte, Schwedenfreizeit – beliebte Freizeitangebote für gebärdensprachliche Kinder

 

Seit Jahren bietet das Soziale-Teilhabe-Zentrum der Evangelischen Gehörlosenseelsorge Bayern für Kinder und Jugendliche vielfältige Angebote, wie wir es im Interview von Erika Burkhardt, Diplom-Religionspädagogin erfahren.

 

Frau Burkhardt, Sie sind momentan voll im Stress und organisieren die beliebte „Schwedenfreizeit“…

Ja, genau! Inzwischen sind schon einige Anmeldungen angekommen! Und natürlich haben die Eltern und Jugendlichen viele Fragen: Wo übernachtet man da genau, wo geht man aufs Klo? Wie ist das mit dem Essen, was müssen wir mitnehmen usw.

 

Auf dem Programm haben wir erlebnispädagogische Aktionen und viele Spiele, mit denen wir Land und Leute und natürlich unsere Gruppe kennen lernen wollen. Das Mitarbeiterteam hat für die erste Woche einen Ausflug in eine typisch schwedische Stadt geplant. In der zweiten Woche sind wir mit Kanus unterwegs. Die genaue Route legen wir erst vor Ort fest.

 

Die Kanu-Tour ist für Jugendliche ab 14 Jahren geplant. Haben Sie auch Freizeitangebote für jüngere Kinder?

Für Jüngere gibt es in Nürnberg unsere Kindergruppen, die Himmelhüpfer (1.-4. Klasse) und die Rumpelwichte (ab 5. Klasse). Jede Gruppe trifft sich monatlich einmal an einem Freitagnachmittag und bietet unterschiedliche Programme: Spielen, Basteln, Ausflüge machen, Backen, Theater spielen usw. Übrigens, viele der angemeldeten Schweden-Teilnehmern sind ehemalige „Himmelhüpfer“!!

 

In den Sommerferien veranstalten wir alle zwei Jahre eine Kinderfreizeit, für Kinder im Alter von 8 bis 13 Jahren. Wir „wohnen“ dann eine Woche zusammen in einem Jugendhaus bzw. in Zelten und haben viel Spaß mit einem kunterbunten Programm. Die nächste Kinderfreizeit findet im August 2017 statt.

 

Um diese Programme abwechslungsreich zu gestalten und durchzuführen, werden Sie von Ehrenamtlichen unterstützt.

Richtig, ohne „mein“ Team würde gar nichts laufen. Die Betreuer in den Kindergruppen und auf den Freizeiten sind ehrenamtliche Jugendmitarbeiter. Oft helfen auch einige der älteren Schüler vom Zentrum für Hörgeschädigte mit. Die meisten Jugendmitarbeiter sind in der Gehörlosengemeinde „aufgewachsen“, d.h. sie waren als Kinder in den Kindergruppen und auf Freizeiten dabei. Einige haben ihre Konfirmation bei der Evangelischen Gehörlosengemeinde gefeiert. Sie waren so begeistert von den Konfi-Camps, dass sie selber auch Mitarbeiter werden wollten.

 

Was die Kommunikation und den Hörstatus betrifft: Das Jugendmitarbeiterteam besteht aus einer bunten Mischung von Gehörlosen, Schwerhörigen, CI-Trägern und hörenden jungen Menschen.

 

Vielleicht fragt man sich jetzt: Wie kommen hörende Jugendliche/junge Erwachsene dazu bei der Gehörlosenjugend Mitarbeiter zu werden? Zum Teil sind sie hörende Kinder von gehörlosen Eltern (CODAs). Außerdem gibt es immer wieder die Möglichkeit bei der Gehörlosenseelsorge ein Praktikum zu machen, um die Welt der Gehörlosen kennenzulernen. Manchmal sind diese Praktikanten so gefesselt und fasziniert von der Arbeit mit Gehörlosen und der Gebärdensprache, dass sie auch noch während der Studienzeit gern ehrenamtlich bei uns mitarbeiten.

 

In allen Gruppenangeboten wird in der Gebärdensprache (DGS) kommuniziert. Muss man also perfekt gebärden können, um hier mitmachen zu können? Oder gibt es auch Kinder, die diese Sprache hier erst erlernen?

Wir probieren immer so zu kommunizieren, dass alle etwas verstehen können. Deshalb muss man keine Angst haben, wenn man nicht so gut oder noch gar nicht gebärden kann. Beim Spielen und ähnlichen Aktionen kann man ganz schnell einige Gebärden erlernen. Wir haben auch einige Kinder, die außerhalb der Kindergruppen/Freizeiten sehr wenig bzw. überhaupt nicht mit Gebärden kommunizieren.

 

Wir erwarten natürlich Offenheit von Seiten der Kinder und Jugendlichen, dass sie auch bereit sind, die Gebärdensprache zu lernen. Schließlich haben wir auch gehörlose Mitarbeiter und sie wollen verstanden werden. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass durch gegenseitige Hilfe die Kommunikation klappt. Manches muss man eben in DGS (Deutsche Gebärdensprache) und LBG (Lautsprachbegleitende Gebärdensprache) erklärt werden.

 

Von den Mitarbeitern wird allerdings erwartet, dass sie in Gebärdensprache kommunizieren können.

 

Wie kommen die Freizeitangebote des Zentrums bei den Kindern und den Eltern an?

Sehr gut! In den Kindergruppen sind in den letzten Jahren so viele Kinder dazu gekommen, dass der Platz im Gemeindehaus kaum ausreicht.

 

Auch die Eltern schätzen es sehr, wenn ihre Kinder in der Freizeit mit anderen Kindern zusammen sind und was erleben können. Erst vor kurzem hat sich ein Vater wieder Mal sehr herzlich bedankt für all die Angebote, die wir mit den Kindern machen.

 

Auch unsere Kinderfreizeiten sind sehr gefragt und waren bisher immer ausgebucht. Letztes Jahr gab es sogar eine Warteliste. Und jetzt die Schwedenfreizeit...? Viele haben schon großes Interesse bekundet. Da wir nicht mehr so viele freie Plätze haben, sollten sich Interessenten möglichst gleich anmelden.

 

Wie werden diese Projekte finanziert?

Die Kindergruppen werden von der Evangelischen Gehörlosenseelsorge finanziert, hier entstehen für die Kinder nur ab und zu Kosten, wenn es Ausflüge oder größere Aktionen gibt.

 

Bei den Freizeiten verlangen wir Teilnehmerbeiträge, die sind aber nicht ausreichen. Deshalb versuchen wir Zuschüsse zu bekommen, z.B. Aktion Mensch unterstützt uns ganz toll. Wir bitten immer wieder um finanzielle Unterstützung auch von der Stadt Nürnberg und sonstigen Förderern der Evangelischen Jugendarbeit.

 

Aber es gibt öfters auch Einzelpersonen oder Familien, die mit ihrer Spende unsere Jugendarbeit fördern. Es ermöglicht, dass wir unsere Veranstaltungen durchführen können und der Preis für alle Teilnehmer erschwinglich wird.

 

Haben Sie weitere Ideen oder Wünsche, die Sie mit den Kindern und Jugendlichen zusammen verwirklichen möchten?

Es gibt ganz viele Ideen und in dieser Hinsicht ist auch mein Jugendmitarbeiterteam sehr kreativ. Auf jeden Fall möchten wir mehr Kinderfreizeiten anbieten! Diese Form der Freizeitaktivität ist sehr beliebt, sowohl bei den Kindern wie auch den Eltern.

 

Es weiteres Thema ist das Freizeitangebot. Viele junge Leute wissen oft nicht, nach der Schule oder während der Berufsausbildung, was sie mit ihrer Freizeit sinnvoll anfangen sollen. Für sie könnte man noch mehr anbieten.

 

Allerdings, um alle diese Vorhaben zu realisieren, fehlt es mir ein wenig an der Zeit. Ich unterrichte zu 50% auch noch in der Schule und auch unsere Ehrenamtlichen sind begrenzt verfügbar, bedingt durch Schule, Ausbildung, Studium oder Arbeit.

Ein kleines Platzproblem haben wir auch, da wir in unserem Gemeindehaus keinen extra Raum haben, der ausschließlich für die Jugend zur Verfügung steht. Außerdem fehlt uns auch ein Außenbereich. Kinder und Jugendliche brauchen einfach mehr Platz zum Austoben und Spielen.

 

Was allerdings für die Zukunft ganz wichtig ist, ist weiterhin die Aus- und Weiterbildung der Ehrenamtlichen. Seit zwei Jahren veranstalten wir regelmäßig 1-2 Mal im Jahr ein Mitarbeiterwochenende. Es tut sehr gut und schafft langfristig eine sehr gemeinschaftliche Atmosphäre im Jugendmitarbeiterteam.

 

Vielen Dank für das Interview!

Text: Judit Nothdurft

Foto: Erika Burkhardt

 
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