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Experten-Interview Juni 2016



Gehörlose für Auslandseinsatz in Afrika, Asien, Lateinamerika willkommen!

 

Die Organisation bezev (Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.) sucht wieder gehörlose Jugendliche für den Auslandseinsatz. Was sie dort genau erwartet, erzählt uns Stephanie Fritz, Koordinatorin von weltweiten Projekten.

 

Frau Fritz wofür steht die Abkürzung bezev und seit wann besteht diese Organisation?

Stephanie Fritz: bezev ist die Abkürzung für Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V., der Verein besteht seit 1995 und sitzt in Essen.

 

Was fördert Ihre Organisation und welche Projekte führen Sie durch?

bezev setzt sich ein für die Rechte von Menschen mit Behinderung weltweit. Menschen mit Behinderung sind auf der ganzen Welt am stärksten von Armut betroffen. Wir wollen darauf aufmerksam machen. Wir wollen auch, dass Menschen mit Behinderung mit einbezogen werden, wenn es darum geht, unsere Welt gerecht zu gestalten.

Wir führen verschiedene Projekte in Deutschland durch, machen Informations- und Bildungsarbeit und auch politische Arbeit.

Wir unterstützen Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika, die sich für Inklusion einsetzen. bezev ist außerdem Entsendeorganisation für das Freiwilligenprogramm „weltwärts“.

 

„weltwärts“ - was ist das für ein Programm?

So heißt der entwicklungspolitische Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Mit „weltwärts“ können junge Erwachsene in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa in einem Projekt mitarbeiten. Es gibt über 150 verschiedene Entsendeorganisationen, die „weltwärts“ anbieten. bezev ist eine davon.

bezev ist trotzdem besonders, weil bei uns das Kompetenzzentrum für Inklusion im Freiwilligenprogramm angesiedelt ist.

 

Ab welchem Alter können sich Jugendliche für den Auslandseinsatz bei Ihnen melden und in welchen Bereichen werden sie eingesetzt?

Für „weltwärts“ muss man zwischen 18 und 28 Jahre alt sein. Wenn man eine Beeinträchtigung oder Behinderung hat, kann man sich bis 30 bewerben. Das gilt auch, wenn man eine chronische oder lange Krankheit hat oder hatte.

 

Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die sie erfüllen müssen?

Es ist wichtig, dass die jungen Erwachsenen offen für andere Kulturen und Sprachen sind. Für die Zeit im Ausland muss man flexibel und einfühlsam sein. Die jungen Erwachsenen müssen außerdem zwischen 6 und 24 Monaten Zeit mitbringen. Ein Auslandseinsatz dauert meistens 12 Monate, ohne die Zeit für die Vorbereitungen und die Nachbereitung.

 

Haben sich bereits Gehörlose bei Ihnen angemeldet? Wo sind zurzeit Gehörlose im Einsatz und wie sind die Rückmeldungen?

Ja, wir haben schon im Jahr 2009 eine junge gehörlose Frau entsendet. Sie war in Ghana an einer Gehörlosenschule. Seitdem nimmt die Zahl der gehörlosen Bewerber und Bewerberinnen zu. Zurzeit sind 2 Gehörlose im Ausland. Inna ist in Kamerun an einer Gehörlosenschule und Linda ist in Mexiko in einem Umwelt-Projekt. Linda macht nicht mit unserem Verein „weltwärts“, sondern mit dem Welthaus Bielefeld. Das ist eine andere Entsendeorganisation. Die Rückmeldungen sind bunt gemischt. Ein Freiwilligendienst hat immer Höhen und Tiefen. Aber insgesamt sind die beiden froh, dass sie „weltwärts“ machen.

 

Werden Gehörlose in erster Linie in Projekten die mit Gehörlosigkeit zusammen hängen eingesetzt?

Im Moment ist das noch so. Gehörlosenschulen oder andere Einrichtungen, die mit Gehörlosen arbeiten, sind sehr interessiert an Freiwilligen, die Gebärdensprache als Muttersprache sprechen. Sie lernen leichter die Gebärdensprache vor Ort und wissen einfach besser als hörende Freiwillige, wie es ist, gehörlos zu sein. Es gibt aber auch Projekte, die nicht mit Gehörlosigkeit zusammen hängen, die für gehörlose Bewerberinnen und Bewerber offen sind.

Das wichtigste ist für uns, dass die Interessen und Fähigkeiten von unseren Freiwilligen, zu den jeweiligen Projekten im Ausland passen. Dann haben beide Seiten, der Freiwillige und das Projekt, etwas von der Zusammenarbeit.

 

Kann die Kommunikation für gehörlose Freiwillige in manchen Ländern problematisch sein? Sind hier DGS Kenntnisse ausreichend oder sollte man lieber auch ASL können? Oder helfen vor Ort Gebärdensprachdolmetscher?

Wie alle Freiwilligen müssen auch Gehörlose sich vor der Ausreise mit der Sprache im Einsatzland zu beschäftigen. Es kann ASL sein oder eine andere Gebärdensprache. Welche Sprache im Land oder im Projekt gesprochen wird, erfährt die Freiwillige ja schon vor der Ausreise. Dazu kommt noch die Landessprache. Gehörlose Freiwillige sollten je nach Land Grundkenntnisse in der Schriftsprache mitbringen, zum Beispiel Englisch oder Spanisch.

In vielen Ländern gibt es Gebärdendolmetscher. Vor der Ausreise besprechen wir mit dem Projekt und mit dem Freiwilligen, was notwendig ist, damit die Kommunikation funktionieren kann.

Ich denke die Kommunikation kann für gehörlose Freiwillige überall problematisch sein, das ist es ja sogar in Deutschland. Ich stelle mir vor allem am Anfang das Ankommen schwierig vor. Da ist ja vieles neu und ich muss mich erst eingewöhnen. Das ist nicht immer einfach! Das ist Teil eines Freiwilligendienstes. Da geht es ja ganz viel um Lernen. Ich glaube es ist wichtig, sich das bewusst zu machen und dann nicht gleich aufzugeben.

 

Arbeiten die gehörlosen Freiwilligen im Ausland auch mit Gehörlosen oder nur mit Hörenden zusammen?

Gehörlose können im Ausland mit Gehörlosen und mit Hörenden zusammen arbeiten. Das kommt ganz auf das Projekt an. Es gibt im ganzen „weltwärts“ Programm mehr als 7.000 Einsatzstellen in ganz verschiedenen Bereichen: Bildung, Umweltschutz, Sport, Menschenrechte, Landwirtschaft. Auf der Seite www.weltwärts.de kann man nach Einsatzstellen suchen.

 

Kann man das Land selbst auswählen, wo man eingesetzt werden möchte oder ….

Bei bezev ist es wichtig, dass der oder die Freiwillige zum Projekt und auch das Projekt zum Freiwilligen passt. Wenn jemand in der Bewerbung schreibt, dass er/sie gerne in einem bestimmten Land zum Einsatz kommen möchte, dann versuche ich es zu berücksichtigen. Wenn ich einem Bewerber ein Projekt vorschlage, das nicht in seinem Wunschland liegt, dann kann er sich dafür entscheiden oder auch absagen.

Auf der Internetseite von „weltwärts“ kann man nach Einsatzstellen in bestimmten Ländern suchen. Dort sehen die Bewerber, welche Entsendeorganisation in das Wunschland entsendet und in welche Projekte.

 

Inwieweit wird man auf den Aufenthalt und auf die Aufgabe vorbereitet?

Wie lange dauert der Freiwilligendienst, welche Verpflegung oder Honorar erhalten die Helfer?

Im „weltwärts“ Programm gibt es Vorbereitungs- und Nachbereitungsseminare. Außerdem findet ein Zwischenseminar im Einsatzland statt. Insgesamt sind 25 Seminartage verpflichtend. In den Seminaren werden die wichtigsten Dinge besprochen, die Freiwillige wissen müssen oder lernen sollen.

Der Freiwilligendienst selbst dauert meistens 12 Monate. In manchen Einsatzstellen von bezev sind 8 Monate möglich. Es gibt andere Entsendeorganisationen, die bieten auch 6-monatige Freiwilligendienste an. Während des Freiwilligendienstes bekommt man: Taschengeld, Unterkunft und Verpflegung.

 

Im August 2016 werden sieben Freiwillige, die gehörlos sind oder eine Hörbeeinträchtigung haben, abreisen……..

Ja, wir freuen uns sehr, dass von den 25 Freiwilligen, die wir dieses Jahr entsenden, sind acht gehörlos sind oder eine Hörbeeinträchtigung haben. Die Freiwilligen werden in Uganda, Tansania, Kamerun und Indien zum Einsatz kommen. Meistens in Projekten, die mit gehörlosen Kindern oder Jugendlichen arbeiten. Die Aufgaben sind ganz verschieden, es kommt darauf an, welche Fähigkeiten der oder die Freiwillige mitbringt und was im Projekt grade gebraucht wird. Die Freiwilligen unterstützen das Personal im Projekt. Im Lauf der Zeit können sie dann auch eigene Ideen einbringen, zum Beispiel können sie einen Theater-Workshop anbieten.

 

Sie suchen für 2017 auch wieder Gehörlose. Wo und bis wann können sie sich bewerben? Wo können Sie sich vorab informieren?

Wir freuen uns sehr über Bewerbungen von Gehörlosen! Die Bewerbungsfrist für einen Freiwilligendienst mit bezev ist am 30.9.2016. Wir wünschen uns einen Lebenslauf, ein Motivationsschreiben und einen Bewerbungsbogen, an meine Mailadresse: kontakt@bezev.de.

Weitere Informationen gibt es unter: www.inklusivefreiwilligendienste.de (-> Für Freiwillige).

 

Bei bezev kann man sich bewerben, wenn man gerne mit Menschen mit Behinderung arbeiten möchte. Wenn man lieber in einem anderen Bereich arbeiten möchte, ist das auch kein Problem. Wir sind nicht die einzige Organisation, die Gehörlose entsendet. Wir kennen viele andere Entsendeorganisationen und Projekte im Ausland, die offen für Gehörlose sind.

 

Rebecca Daniel vom Kompetenzzentrum berät gerne Gehörlose, die sich für andere Projekte interessieren (alleinklusive@bezev.de). Weitere Informationen sowie Vidoes von Freiwilligen in DGS sind auf unserer Vereinsseite zu finden: www.jetzt-einfach-machen.de.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Stephanie Fritz

 

 
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