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Experten-Interview Juli 2016



Brandenburg startet kostenlosen Notruf für Gehörlose

 

Einen kostenlosen und barrierefreien Notruf für Hörbehinderte und Gehörlose mit 24 Stunden Einsatzbereitschaft gibt es noch immer nicht in Deutschland. Bereits 2015 haben wir den Geschäftsführer Andreas Muchow von App-Sec-Network über seine App „Hand-Help“ interviewt. Erst jetzt nach einem Jahr scheint etwas in Bewegung zu kommen.

 

Herr Muchow, Ihre App wurde zu HIERON umbenannt und vor kurzem in der Staatskanzlei in Potsdam präsentiert. Wie waren die Reaktionen?

Andreas Muchow: Die Notruf-App HandHelp wurde für das Projekt Hieron angepasst. In wesentlichen Punkten bedarfsgerecht auf die notwendigen Belange der Gehörlosen und Schwerhörigen nochmals für die Barrierefreiheit erweitert.

 

Die Reaktionen insgesamt waren sehr positiv, insbesondere hat das Hieron-Team Lob dafür empfangen, dass endlich ein Prozess im Rahmen des digitalen und barrierefreien Notrufs angeschoben wurde.

Auch die mediale Interesse war groß, Potsdam TV hat uns und die ZfK (=Das Zentrum für Kultur und visuelle Kommunikation der Gehörlosen in Berlin/Brandenburg e.V.) interviewt. Radio Antenne Brandenburg hat am Tag unserer Präsentation in der Staatskanzlei stündliche Meldungen über das Projekt Hieron gesendet.

 

In wie weit wurde die App inzwischen weiter entwickelt?

Eine wesentliche Weiterentwicklung der Hieron-Notfall-App besteht darin, dass für Gehörlose und Schwerhörige eine Gebärdensprachdolmetscherzentrale im vorgesehenen 24/7-Dienst (24 Stunden an 7 Tagen) per Videotelefonie erreichbar sein wird. Eigens hierfür wurde eine überregionale Notrufnummer beantragt und zwischenzeitlich genehmigt.

Das Hieron-Projekt ermöglicht, im Falle eines Notfalls direkt einen Gebärdensprachdolmetscher zu kontaktieren. Hierzu kann sich jeder Gehörlose und Schwerhörige in einer geschlossenen Whatsapp-Gruppe anschließen.

 

Wer finanzierte Ihre bisherigen Kosten?

Das Hieron-Projekt wird von der ZfK e.V. und App-Sec-Network UG finanziert.

 

Wer kann die App jetzt kostenlos nutzen, nur Einwohner von Brandenburg? Wie wird kontrolliert, ob der Nutzer tatsächlich in diesem Bundesland wohnt?

Das Hieron-Projekt kann zurzeit nur in Brandenburg für Gehörlose und Schwerhörige realisiert werden. Die Mechanismen der Erfassung werden derzeit noch diskutiert, die Lösung sollte aber keinerlei Probleme darstellen.

Der Anwendungs-/ Geltungsbereich selbst ist projektbezogen für Betroffene im Bundesland Brandenburg reduziert und wird per Email inkl. Schwerbehindertenausweis nachgewiesen.

 

Wie lange ist dieses Angebot für Brandenburg geplant? Wer trägt die Kosten für dieses Bundesland?

Es ist zunächst eine Projektlaufzeit bis zum 31.03.2017 geplant und de Kosten tragen bisher gemeinsam die ZfK e.V. und App-Sec-Network UG.

 

Was kostet die App für Nutzer außerhalb Brandenburgs?

Die Hieron-Notfall-App ist erstmals nur für das Land Brandenburg kostenlos konzipiert. Andere Nutzer können unsere bestehende App HandHelp in beiden Versionen bis zu 31 Tage kostenlos testen. Nach Auswahl des In-App-Kaufs werden Gebühren erst nach der Testphase fällig, z.B. bei HandHelp – Life Care nur 0,99 € / Jahr.

 

Können Sie sich vorstellen, dass diesem Beispiel auch andere Bundesländer folgen werden?

Das Hieron-Projekt sieht ausdrücklich vor, dass jedes Bundesland jederzeit in die Projektphase eintreten kann. Hier sind Verbände, Vereine, Politik, etc. aufgerufen.

 

Wer wird bei einem Notfall, der über die App abgegeben worden ist, kontaktiert?

·        Polizei oder Feuerwehr (Rettungsdienste) je nach Vorfall

·        vom Nutzer in die App hinterlegte Vertrauenspersonen

·        wenn vom Nutzer bestimmt, die Gebärdensprachdolmetscherzentrale der ZfK e.V.,

·        wenn vom Nutzer bestimmt, der Direktkontakt zu einem Gebärdensprachdolmetscher als Soforthilfe in einem konkreten Notfall via geschlossener Whatsapp-Gruppe.

 

Sie haben die App inzwischen auch bei einigen Deaf-Messen präsentiert, wo es auch Gehörlose ausprobieren konnten. Wie waren die Reaktionen?

Wir haben uns nicht nur bei Deaf-Messen, sondern auch jedem Interessierten für Vorträge zur Verfügung gestellt und die Reaktionen waren stets und durchweg positiv.

 

Zurzeit entwickeln Sie einen Stick? Was wird er können und wann ist er verfügbar?

Der Stick bzw. Notfallknopf ist ein wesentliches Merkmal unseres jetzt entstehenden Notrufsystems und kann an jedem Schlüsselbund in einigen Wochen getragen werden. Dieser übernimmt in einem Notfall auf Knopfdruck automatisiert den stillen Alarm an die Polizei / Feuerwehr, ohne dass das Smartphone in die Hand genommen werden muss. Die Anbindung zur App HandHelp erfolgt via Bluetooth. Diese sehr komfortable Innovation ist weitreichend für alle Personengruppen weltweit nutzbar und bedeutet noch ein Stück mehr an Barrierefreiheit.

 

Könnte die App auch international einen Erfolg haben?

Wir haben die Hieron-App darauf ausgerichtet.

Unser Team-Mitglied Herr Steffen Helbing (CDU) hat die Hieron-App im Mai 2016 im Rahmen von UN-Kommissionen zur Teilhabe für 193 Ländervertretungen in Genf präsentiert.

Die Nachfragen zeigen, dass in der Welt der Gehörlosen und Schwerhörigen, aber auch bei gesundheitlich beeinträchtigten Menschen insgesamt, überall auf der Welt dieselben Miseren angetroffen werden.

Das Hieron-Projekt kann sich hier also als ein wichtiger Vorbereiter erweisen, im Bereich des barrierefreien Notrufsystems.

 

Wir wären glücklich darüber, wenn ein Modell aus dem Bundesland Brandenburg der Welt zeigen kann, dass mit ein wenig Mut Dinge auch veränderbar sind.

 

Der berechtigte Anspruch auf Teilhabe und Zugewinn eines Stücks selbstbestimmten Lebens müssen leider hart erkämpft werden. Dafür haben wir immer eingestanden und, wie Sie sehen, wir haben es nicht aufgegeben!

 

An dieser Stelle möchten wir uns ausdrücklich bei der ZfK bedanken, die ebenso, wie wir die Notwendigkeit des Handelns erkannt haben und das Hieron-Projekt zum Wohle aller ins Leben gerufen hat.

 

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg!

 

Text: Judit Nothdurft

Bild: Andreas Muchow

 

Weitere Infos zur App unter: www.barrierefreier-notruf.de und www.notfall-app.eu

 

 
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