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Experten-Interview Mai 2017



Pflegekurs für Gehörlose in Gebärdensprache

 

Im Oktober startet wieder ein „Pflegekurs für pflegende Angehörige und Interessenten“ in Leipzig speziell für gehörlose Menschen. Andreas Märten, Geschäftsinhaber und Vorsitzender des Pflegenetzwerkes Leipzig e.V., verrät uns weitere Details zu diesem Angebot.

 

Herr Märten, wie ist die Idee zu diesem Kurs entstanden?

Wir bieten bereits seit drei Jahren in Zusammenarbeit mit der AOK PLUS kostenfreie Pflegekurse für Menschen an, die zuhause pflegen oder sich für das Thema interessieren. Unsere Vereinsmitglieder sind in der Pflege tätig, daher verfügen sie über ein breites Fachwissen.

Auf einer Informationsveranstaltung über die Pflegeversicherung wurden wir von einer Gruppe von Gehörlosen angesprochen, ob wir auch einen Kurs mit Gebärdensprachdolmetschern durchführen könnten. Wir fanden die Idee spannend und haben in kürzester Zeit den ersten Kurs für den Herbst 2016 organisieren können. Die Finanzierung der Gebärdensprachdolmetscher hat die AOK PLUS übernommen.

 

Wie waren damals nach diesem Kurs die Rückmeldungen der gehörlosen Teilnehmer?

Der Kurs war schnell voll. Es waren sogar Teilnehmer aus Thüringen dabei. Nicht alle waren pflegende Angehörige, sondern sahen sich als Vertreter von Selbsthilfegruppen eher als Multiplikatoren, die die Informationen dann weitergeben konnten.

Wir haben 12 Themen unterrichtet. Das ThemaSich selbst etwas Gutes tun“ habe ich persönlich geleitet. Hier ging es um die eigene Vorsorge: Überlastung wahrnehmen, Ressourcen schaffen, Entspannungstechniken kennen lernen. Ich erlebte sehr interessierte, hoch motivierte Kursteilnehmer. Die gleichen Rückmeldungen habe ich auch von anderen Referenten erhalten.

Die Gehörlosen haben uns auch selbst gesagt, dass sie vom Kurs begeistert waren. Sie waren froh, so viele Informationen rund um Pflege zuhause in Gebärdensprache erhalten zu können. Es war auch hilfreich, dass sie sich über eigene Anliegen austauschen konnten bzw. die anwesenden Fachleute gleich befragen konnten. Die Dolmetscher wiesen darauf hin, dass es oft bei Neuerungen an einem gebärdensprachlichen Input fehle, der sich aber in einem solchen Kurs gut umsetzen ließe.

 

Welche neuen Eindrücke oder Erkenntnisse haben Sie aus der Zusammenarbeit mit Gehörlosen gewonnen?

Wie ich schon sagte, empfand ich das Publikum als sehr aufmerksam. So werde ich für den nächsten Kurs mehr Zeit für den Vortrag einplanen. Bisher hatten wir im Pflegenetzwerk keine Erfahrung mit gehörlosen Menschen. Es war uns nicht bewusst, wie schwierig es für Nichthörende sein muss, an Informationen zu kommen oder seine Interessen gegenüber Ämtern und Behörden durchzusetzen. Neu war für uns auch, das Sprachverständnis dieser Menschen zu erleben.

 

Im Rahmen des Kurses werden verschiedene Themen zur Pflege unterrichtet. Welche sind es genau?

Die Themen reichen von Pflege in der Familie und was dies für alle Beteiligten bedeutet, über die gesetzlichen Grundlagen mit Referenten der AOK PLUS, Hinweise zum Pflegealltag und zu bestimmten Krankheitsbildern oder Ernährungsfragen.

Praktische Übungen werden in unserem Sanitätshaus OrthoVital durchgeführt. Hier zeigen wir hilfreiche Tricks, z.B. beim Lagern, Pflegen oder Umbetten. Auch über mögliche Hilfsmittel wie z.B. Bettgalgen, Rollstuhl, Rollatoren, Nachtstuhl, Lagerungskissen oder Drehscheibe bekommen die Teilnehmer einen Überblick und können diese ausprobieren.

Ein weiteres Thema ist Demenz, der Umgang mit dieser Krankheit und deren Medikation. Hierzu hält unser Netzwerkmitglied „Faust Apotheke“ einen fachlichen Vortag. Hier geht es um das Krankheitsbild und dessen Risikofaktoren, auch eine mögliche medikamentöse Behandlung der Verhaltensstörungen wird vorgestellt.

Natürlich werden auch die Themen wie Vorsorgen und Abschied nehmen von den Referenten des Bestattungshauses Dunker und des Hospizvereins Leipzig sehr einfühlsam vermittelt.

 

Bettlägerigkeit und Inkontinenz gehören zu den häufigsten Themen in der Pflege. Wie sieht die richtige Pflege in diesen Fällen aus? Was sollten hier pflegende Angehörige genau beachten?

Bettlägerigkeit ist aus meiner Sicht nicht das häufigste Thema in den Familien. Viel dringlicher ist wissen, wie und wo man Unterstützung und Entlastung findet.

Inkontinenz ist ein zu großes Thema, um hier im kurzen knappen Satz zu antworten. Es muss jedoch nicht unabdingbar zur Bettlägerigkeit gehören! Es gibt auch hier Hilfsmittel, um eine Kontinenz im Bett zu fördern, z.B. mittels Schieber oder Urinflasche.

Die Pflege selbst ist abhängig von der zu pflegenden Person. Jeder mag anders gepflegt werden. Wichtig ist, dass der Pflegende die Ansprüche und Rituale des zu Pflegenden an erster Stelle akzeptiert und nicht seine eigenen Vorstellungen umsetzt.

 

Im Rahmen des Kurses erhalten die Teilnehmer zu Bettlägerigkeit und Inkontinenz sogar an zwei Abenden Informationen…

Die Themen Bettlägerigkeit und Inkontinenz sind so umfassend, dass hier zwei Termine benötigt werden. Neben theoretischen Grundlagen an einem Abend wollen wir mit Anschauungsmaterial und praktischen Übungen die Pflege greifbarer machen. Diese praktischen Übungen finden in unserem Sanitätshaus am zweiten Abend statt. Dort können die Teilnehmer, wie ich schon sagte, mit Unterstützung eines Reha-Beraters miteinander z.B. das Lagern im Bett, verschiedene Windeln wechseln oder den Transfer aus dem Bett in den Rollstuhl über eine Drehscheibe üben.

 

Das Thema „Ernährung bei Pflegebedürftigkeit“ wird ebenfalls besprochen. Wie sieht die optimale Ernährung in diesem Fall aus?

Dieses Thema ist ebenfalls sehr umfassend; es kommt auf die Bedürfnisse, die Krankheitsgeschichte, die Umgebung und Möglichkeiten an. Bei fortschreitender Demenz ist es z.B. hilfreich, durch das gemeinsame Speisen zum Essen zu animieren. Auch Erkenntnisse über Lieblingsspeisen sollten in den Speiseplan mit einfließen. Außerdem ist bekannt, dass zunehmend süße Geschmacksrichtungen bevorzugt werden, also warum nicht einen Kartoffelbrei etwas süßen?

Bei allen Pflegebedürftigen ist darauf zu achten, dass genügend getrunken wird.

 

Wo und wann kann man sich für den Kurs am 09.10.17 anmelden und was sind die Voraussetzungen? Sind medizinische Kenntnisse oder Vorkenntnisse in der Pflege nötig?

Nein, medizinische Vorkenntnisse sind nicht nötig. Man sollte bereits eine Pflegeperson sein oder sich für die häusliche Pflege interessieren. Für gesetzlich Krankenversicherte werden die Kurskosten übernommen. Privatversicherte sollten sich dazu mit ihrer Pflegekasse verständigen. Es sind inzwischen nur noch einige wenige Plätze frei.

Unser Pflegekurs für Gehörlose beginnt am 09. Oktober 2017. Er findet an sechs Montagen von 16 bis 19 Uhr in unserem Beratungszentrum (Rosa-Luxemburg-Str. 27, 04103 Leipzig) statt. Anmeldungen für Interessente aus der Region sind möglich per Fax: 0341 5832422. Weitere Informationen findet man auf unserer Website unter www.pflegenetzwerk-leipzig.de.

 

Alle Vorträge werden gedolmetscht. Hierzu stehen uns vier erfahrene Gebärdensprachdolmetscherinnen aus der Region zur Seite.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Andreas Märten (privat)

 

 
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