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Experten-Interview August 2017



Bester Animationsfilm - Christopher Buhr gewann den “Clin d'Oeil Film-Award

 

Anfang Juli fand das internationale Kunstfestival der Gebärdensprachler „Clin d'Oeil“ in Reims statt. 13.700 Besucher kamen zum viertägigen Festival. Christopher Buhr aus Deutschland gewann den Award mit seinem Kurzfilm „The 7th Refugee“ als bester Animationsfilm.

 

Herzlichen Glückwunsch zum ersten Preis! Wie fühlst du dich jetzt?

Christopher Buhr: Wie ich mich fühle? Ich wurde als bester Animationsfilmemacher anerkannt, und ich denke, ohne es zu übertreiben, ich habe es auch verdient! Ich bin ganz erleichtert und total froh, dass ich diesen Level auf internationaler Ebene erreicht habe.

 

Mit welchen Eindrücken bist du aus Reims zurückgekommen? Was hat dir am besten gefallen?

Am besten hat mir gefallen, dass man auf dem Festival nette Leute aus der ganzen Welt treffen konnte. Es war toll! Vor allem im „Village“, im Deaf-Dorf. Alle, die dort bedienen, Pizza backen, Burger machen, Getränke ausgeben, Techno- oder Rockmusik machen, sind GEHÖRLOS!

 

Was bedeutet dieser Preis für dich?

Dieser Preis in der Kategorie „Animationsfilm“ ist bis jetzt der bedeutendste Preis, den ich jemals bekommen habe. 1997 in Leipzig gewann mein Film „Antideaf“, als beste Filmstory. Beim „Deaf FilmFestival 2016“ in München gewann ich den 3.Platz mit „Gestohlene Leistung“. Beide Filme sind auf Youtube zu sehen.

 

Hat jemals schon ein Deutscher in der Kategorie „Animation“ bei der Clin d'Oeils gewonnen?

Nein, bisher hat noch kein deutscher Filmemacher in Reims gewonnen! Ich bin wohl der erste Deutsche, der hier dafür ausgezeichnet worden ist! Ich war 2011 zum ersten Mal in Reims, damals habe ich mit meinem Antiterrorfilm Film „Why“ am Festival teilgenommen.

 

Mal ehrlich, hast du mit diesem Erfolg gerechnet, als du dich für das Festival angemeldet hast?

Also diesmal habe ich schon bei der Bewerbung das Gefühl gehabt, dass der Film gute Chancen hätte. Als ich dann die positive Mitteilung erhalten habe, dass der Film für die Vorführung ausgewählt wurde, habe ich mich riesig gefreut! Aber ich habe niemals damit gerechnet, dass ich tatsächlich gewinnen könnte. Ich konnte gar nicht einschätzen, auf welchem Level der Film in diesem internationalen Wettbewerb landet.

 

Durch die Nominierung, musste ich keine Teilnahmegebühren zahlen. Die Veranstalter finanzieren in solchen Fällen je nach Filmlänge auch die Fahrtkosten. Bei mir wurden 50% der Fahrtkosten erstattet, ich bekam volle Verpflegung und Unterkunft.

 

Wie viele Filme wurden in Reims gezeigt? Wer waren die Jurymitglieder?

Insgesamt wurden 22 Filme vorgeführt, die meisten Produktionen kamen aus England und Spanien. Ich alleine vertrat mit meinem Film Deutschland.

 

Es gab eine fünfköpfige internationale Jury (2 hörend, 3 gehörlos), diese bestand aus erfahrenen Fachleuten aus der Filmbranche. Ich habe per Zufall eines der Jurymitglieder auf dem Hof getroffen. Es kam auf mich zu und lobte meinen Film, war hörend und konnte gebärden.

 

Worum geht es in "The 7th Refugee"? Kannst du uns kurz ein bisschen erzählen?

Bei „The 7th Refugee“ handelt sich um einen Science-Fiction Film. Er ist gleichzeitig eine Mischung aus Action, Fantasie und Comic. Die Story ist, dass die Archivmappe „The 7th Refugee“ aus 1950 digitalisiert werden soll. Sie soll eingescannt und in einem Film umgewandelt werden. Die Mappe beinhaltet die Daten einer tauben Schwangeren, die ihr taubes Baby erwartet. Das Baby sollte nach der Geburt von der Taubenwelt getrennt werden, aber die Mutter flüchtet mit ihrem Baby und landet in einer anderen Welt. Sie ist der 7. Flüchtling!

 

Hast du die Geschichte selbst ausgedacht?

Ja, ich habe die Geschichte ganz allein ausgedacht. Etwa 5 Jahre habe ich daran gefeilt, bis ich mit der Story fertig war. Mit dem Drehen wollte ich eigentlich schon 2013 anfangen, aber die damalige 2D-Videotechnik hat mich nicht begeistert. Meine Ideen konnte ich erst mit 3D-Animation verwirklichen. So holte ich 2016 mein Drehbuch wieder aus der Schublade und mit einer modernen Videoschnitt-Software konnte ich „The 7th Refugee“ endlich beginnen.

Nun suchte ich nach einer Hauptdarstellerin. Ich fand sie in Diana Dallmann aus dem hohen Norden. Mit ihr habe ich bereits den Film „Gestohlene Leistung“ gedreht. Sie arbeitet vor der Kamera sehr diszipliniert und ist offen für neue Sachen. Sie konnte sich sehr gut in die Rolle einer Person aus dem Jahr 1950 hineinversetzen. Daher war sie meine Favoritin für „The 7th Refugee“ und der Preis zeigt, dass meine Wahl offensichtlich richtig war.

 

Wie hast du den Film finanziert?

Ich bezahlte für Diana die Fahrtkosten, die Verpflegung und die Unterkunft im Gästezimmer. Sie blieb eine Woche bei uns, davon hatten wir fünf 5 Drehtage. Meine Frau hat im Projekt auch kräftig mitgeholfen und hat sich um die Kostüme gekümmert.

 

Ich habe als Low-Budget Produktion ausschließlich im Greenbox Studio gedreht. Für weitere besondere Effekte habe ich noch ein halbes Jahr Arbeit investiert. Es hat sich gelohnt!

 

Wann und wo können wir den Film sehen?

Möglicherweise wird er im Rahmen der Kulturtage 2018 in Potsdam gezeigt.

 

In der Gehörlosen-Community bist du als Filmemacher bekannt. Was dürfen die Leser noch von dir wissen?

Ich bin bei Brauschweig aufgewachsen und habe die Gehörlosenschule mit einem guten Zeugnis abgeschlossen. Danach lernte ich Modellbauer und wurde als „Kammersieger“ der beste Modellbau-Handwerker im Raum Braunschweig und 2. Landessieger in Niedersachsen.

 

Heute arbeite ich als Modellbauer mit Konstruktionskenntnissen und tüftele oft an technischen Lösungen. Beruflich habe ich die Firmen gewechselt, um auf dem Karriereleiter höher zu kommen. Aus diesem Grund „wanderte“ immer weiter nach Süden, von Stuttgart nach München. Zurzeit arbeite und lebe ich mit meiner Frau in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen.

 

Meine Kinder sind hörend und schon erwachsen, der Ältere blieb im Raum Stuttgart und die Jüngere lebt in Berlin.

Meine Eltern sind auch hörend. Dank meiner tauben Schwester konnte ich mich in Gebärdensprache unterhalten. Wir lernten sie erst in der Gehörlosenschule, obwohl unsere Eltern streng dagegen waren. Wir konnten nur heimlich, in einem Raum versteckt, gebärden.

 

Wie kommst du zum Filmemachen?

Filme drehen begann ich 1977, als Konfirmand. Aus den Geldgeschenken habe ich mir eine komplette Super-Filmausrüstung gekauft, sogar mit Tonspur. So lernte ich erst das Filmen kennen.

 

Das Filmemachen mit Freunden, die nur gebärden konnten, hat meinem Vater überhaupt nicht gefallen.

Mein Erfolg im Job, meine Karriere, hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Da ich beruflich zunehmend mehr zu tun hatte, hörte ich 1999 mit dem Filmen ganz auf. Erst zehn Jahre später hat mich das Filmemachen wieder gepackt. Ich begann dann verschiedene Filme zu machen, wie Animationsfilme, Antikriegsfilme, Komödien und Dokumentarfilme im Auftrag von Landesverbänden und des Deutschen Gehörlosenbundes.

2012 besuchte ich einen Filmkurs in den Bavaria Filmstudios, ohne Gebärdensprachdolmetscher! Die wertvollen Tipps bzw. Einstellungen des Kameramannes, der in Hollywood „Red Tails“ gedreht hatte, haben mir sehr viel geholfen.

 

Was ist dein nächstes Filmprojekt?

Nach dem Award in Reims habe ich mich für ein weiteres Filmprojekt entschieden. Diese Story sollte 1880 in Mailand spielen ….

 

Text: Judit Nothdurft

Fotorechte: Christopher Buhr

 
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