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Experten-Interview Januar 2011



Neue Chance für arbeitslose Gehörlose!

 

Die damago GmbH bietet ab März für arbeitslose Gehörlose eine Ausbildung zum Netzwerkadministrator. Über dieses Pilotprojekt habe ich den Geschäftsführer Herrn Hietel interviewt.

 

Judit Nothdurft: Herr Hietel, Ihre Firma bildet ab März Gehörlose zum Netzwerkadministrator aus. Mit welchen Voraussetzungen wird man zu der Ausbildung zugelassen?

Stefan Hietel: Es wird eine abgeschlossene Berufsausbildung (kaufmännisch oder technisch ist egal) ODER Abitur, Fachabitur ODER Assessment mindestens mit "gut" bestanden, grundlegende Englischkenntnisse erwartet.

 

Maximal wie viele Leute können an dieser Maßnahme teilnehmen?

Es können bis zu 20 Teilnehmer den Kurs besuchen. Gestartet wird der Kurs bereits ab 10 Teilnehmern.

 

Was macht eigentlich ein Netzwerkadministrator, können Sie den Beruf beschreiben?

Ein Netzwerkadministrator ist verantwortlich für die IT in einem Unternehmen, im speziellen die Software und die Hardware. Er ist für die Sicherung der Daten sowie für die Benutzerumgebung zuständig. Wenn alles läuft, hat er seinen Job „gut“ gemacht.

 

Welche Fähigkeiten sollte ein Netzwerkadministrator besitzen?

Die wichtigste Eigenschaft ist Ruhe und Ausgeglichenheit sowie planerisches Denken. Weiterhin sollte eine Affinität zur PC-Technik bestehen.

 

Wo werden ausgebildete Netzwerkadministratoren eingesetzt?

Typische Einsatzorte sind öffentliche Einrichtungen, Krankenkassen, Behörden, mittelständische Unternehmen sowie Konzerne. Einfach überall, wo es eine größere Anzahl an Computern gibt.

 

Die Ausbildung dauert sieben Monate, dies ist eine ziemlich kurze Zeit. Wie viel Unterrichtsstunden hat man am Tag? Wie ist die Ausbildung gegliedert?

Der Unterricht am Tag geht von 8 Uhr bis 16 Uhr und umfasst 9 Unterrichtsstunden à 45 Minuten. Jedes theoretische Thema wird im Anschluss durch eine Übung gefestigt, die die Teilnehmer am eigenen PC umsetzen müssen. Die Spannbreite hierbei reicht vom Aufbau kleinerer Benutzerumgebungen bis hin zur eigenständigen Umsetzung größerer Netzwerke zusammen mit anderen Teilnehmern. Mit der Zeit werden die Übungen immer komplexer. Um den bereits erlernten Stoff zu festigen, wird innerhalb einer Übung auch immer das Wissen vergangener Themengebiete angewendet.

 

Die Maßnahme wird vom Jobcenter der Arbeitsagentur finanziert. Bekommen die Teilnehmer während dieser Zeit eine Vergütung? Wenn ja, in welcher Höhe?

Die Teilnehmer bekommen weiterhin ihre normalen Bezüge zzgl. eventuell anfallender Reisekosten. Die Ausbildungskosten einschließlich Fachliteratur und Prüfungsgebühren werden komplett übernommen. Es fallen keine weiteren Kosten an.

 

Werden die Dolmetscher auch von der damago GmbH organisiert? Sind die Dolmetscher während der ganzen Ausbildungszeit dabei?

Die Dolmetscher werden von der damago in enger Zusammenarbeit mit dem Gehörlosenverband Gebkom organisiert. Es gibt jeweils zwei Dolmetscher, die sich während des Unterrichts abwechseln. Diese sind selbstverständlich während der gesamten Zeit dabei und stehen mit Rat und Tat zur Seite.

 

Welche Medientechnik wird während des Unterrichts für Gehörlose eingesetzt?

Primär kommt ein sehr guter Beamer zum Einsatz. Whiteboard und Flipchart ergänzen die Technik. Es ist gewährleistet, dass jeder Teilnehmer eine gute Sicht auf die eingesetzte Präsentationstechnik hat. In Abstimmung mit den Bedürfnissen der Teilnehmer ist weiterhin geplant, eine Kamera auf das Gesicht des Dozenten zu richten und dieses per Beamer großflächig zu projizieren, um auch das Mundbild der Dozenten verfolgen zu können.

 

Die Ausbildung ist in Berlin und die Teilnehmer können aus ganz Deutschland kommen. Wo werden Sie dann wohnen und wie wird die Unterkunft finanziert?

Jeder Teilnehmer kann sich in Berlin eine Unterkunft gemäß den Richtlinien der fördernden Stelle suchen und diese Kosten werden dann auch übernommen (Jobcenter, ARGE o.a.). Dies ist mit der fördernden Stelle natürlich vorher abzuklären.

 

Die Ausbildung endet mit der Zertifizierungsprüfung. Wie ist diese Prüfung gestaltet? Werden die Teilnehmer bei der Prüfung auch von Dolmetschern unterstützt?

Die Prüfung wird von Microsoft direkt abgenommen und gliedert sich in Multiple Choice Aufgaben, welche am PC ausgefüllt werden müssen (ähnlich der Führerscheinprüfung). Hierbei darf der Dozent natürlich nicht helfen. Für alle anderen Fragen steht wiederum ein Dolmetscher zur Verfügung.

 

Nach der erfolgreichen Prüfung trägt man den Titel „Zertifizierter Netzwerkadministrator für Microsoft“. Welche Erfahrung haben Sie gemacht, wie sind die Chancen mit dieser Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt?

Wir haben bei Hörenden eine Vermittlungsquote von 70 bis 80%. In öffentlichen Einrichtungen werden bereits verstärkt Menschen mit Einschränkungen eingestellt. Wir hoffen, dass dies auch in mittelständischen sowie Großunternehmen verstärkt durchgeführt wird - nicht nur wegen der gesetzlichen Vorschriften, sondern auch wegen der sozialen Kompetenz und der fachlichen Qualifikation.

Bei der Gehörlosenausbildung streben wir natürlich auch diese Quote an. Vorteile für Gehörlose sehen wir auch in den vielfältigen Fördermöglichkeiten für die Einstellung Gehörloser. Mögliche Nachteile im Bereich der Kommunikation können durch Kommunikationsassistenten wettgemacht werden.

 

Wie sehen die Verdienstmöglichkeiten aus?

Die Verdienstmöglichkeiten sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, daher ist es schwierig eine eindeutige Aussage zu treffen. Zum Beispiel liegt das Anfangsgehalt eines Netzwerkadministrators in Berlin bei 2000 EUR. Genaue Infos über die Durchschnittsgehälter kann man im Internet auf entsprechenden Plattformen finden.

 

Es ist eine tolle Sache, dass die damago GmbH, diese Ausbildungsmöglichkeit für Gehörlose startet. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Die Idee entstand eigentlich im Senegal. Ich war dort mit einem Geschäftsfreund im Rahmen eines Hilfsprojektes. Als ich erfuhr, dass seine Frau im Gehörlosenbereich tätig ist, habe ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigt. Erstaunlich war für mich, dass so wenig für die Qualifizierung getan wird. So entstand die Idee.

 

Ich bedanke mich für das Interview.

 

Text: Judit Nothdurft

Foto: Stefan Hietel

 

 
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